Auch in Großauheim war 1848 "Revolution" und aus diesem Anlass haben wir an der Ausgestaltung des "Extrablattes" teilgenommen, zu dem

Magdalena Zeller

Projektleiterin „Geist der Freiheit“

KulturRegion FrankfurtRheinMain gGmbH

aufgerufen hat: in der Hoffnung sich so von den anderen Berichten abzuheben, haben wir einen fiktiven Brief gestaltet, der aber auf gut recherchierten Tatsachen beruht.

 

 

 

Sehr geehrte Redaktion,

in dem Papierkorb des Großauheimer Bürgermeisters Nikolaus Kronenberger fand sich dieser verknitterter Briefentwurf vom Herbst 1848, der vielleicht unter der Rubrik „Aufgespießtes“ passt

 

 

Hochwohlgeborene königliche Hoheit…. bla bla … alleruntertänigst… danbar… bla … ewige Treue… bla. Untertänigst demütige Bitte bla bla… ergebenster Diener, seit acht Jahren gewählter Bürgermeister Ihres gehorsamen Fleckens Großauheim, der jetzo 1400 Seelenmit brave aber sehr hungrigen Mäulern zählet. Seit dem gottlosen Jahr ohne Sommer 1816 klagen wir über dürre Dürren und schlimme Überschwemmungen, die uns verstörte Sünder nahmen, was die Franzosen und die ganze Soldatenbagaschege übergelassen hatte, dann die verheerenden Heuausfällen 1842 und der vernichtenden Karoffelpest fäule dieses Jahr. Es geht uns allen einfach Scheiße. , Auf Ihro Rat hin werden zögerlich sogar die Brachenflächen bearbeitet, womit sich das Feld nicht erholen kann und magere Ernte gibt. Der Boden reicht nicht für so viele. Wir brauchen Manufakturen.Wir nutzen den Wald, in dem uns hochgnädigerweise seit diesem Jahr acuh das Jagdrecht zusteht. Aber da alle ihre mageren Ziegen und hungrigen Säue hinein treiben und Holz schlagen ist wird er schon ganz schlapp machen. Neben dem Acker und dem Handwerk schuften auch die kleinsten Bälger ud alle dünnen Weibsbilder in Heimarbeit in Zigarren, Seiden- und Silberindustrie. So kommen aufgebrachte und verbitterte Zeitungsarikel von der Fuchsschen Gastsstätte aus Hanau herüber. Da erfahren wir, dass im revolutionären Frankreich kein Schmuck mehr getragen wird, deshalb falliert die Hanauer Industrie und wir aus diesem Grund hungern. Hanau richtet zahlreiche Suppenküchen ein, dafür haben wir aber kein Geld. Sie machen auch die vernachlässigte Lehrhöfer Heide urbar, um die missmutigen Goldarbeiter zu beschäftigen. Gleichzeitig baut der junge aufgeblasene Erbprinz Wilhelm in Hanau einen pompösen Bahnhof für die Frankfurter Lackaffe., statt uns dringed das Geld zu geben.

 

Wir müssen wir für die labbeduddeligenHusaren und die unverschämten ungeneuischen Jäger und Ihro verfressene Infantrie ständig Furage, Heu, Talg, Öl und Weizen liefern und denen das Zeug hin und her fahren, während die in den warmen Stuben hocken und sich unnütz und beleidigend aufspielen. Wir brauchen weniger Abgaben.

Dabei brauchten wir auch das Geld und Gut dringendst für einen neuen 4. Lehrer, damit die mehr als 200 Kinder nicht genauso bekloppt hilflos werden wie ihre Eltern. Wir brauchten ein neues dichtes Rathausdach, Ausrüstung für die Feuerwehr, einen besseren Rattenfänger, auch das Pfarrhaus braucht einen neuen Zaun, der Friedhof muss erweitert werden bei den vielen Toten und Raum und Geld für die Bürgergarde mit ihren Schleich- und Blaswächtern, deren Spieße und ihre Uniformen. Denn das Volk hat die Schnauze wirklich voll. Sogar hier im Dorf gründen sich Vereine…. Gottseidank keine rebellischen Turner wie in Hanau … aber es hat sich nun auch hier ein Gesangverein Concordia gegründet und die singen weissgott nicht nur brave Sommerliedchen sondern mit besonderer Freude „oh hängt ihn auf!“ und „Gedanken sind frei“ und „Ob wir rote gelbe Kragen“. Diese babbischsiche Mäuler sagen, wenn die Hanauer sich tatsächlich von Kassel lossagen und den Ludwig von Darmstadt zum König aller Hessen ausrufen, überlegen wir uns, da mit zu machen, obwohl …die Kleinauheimer ihren Landgraf auch nicht leiden können.

Hier wetzt sich keiner wegen Freiheit den Schnabel, aber wir haben Hunger und Not. Deshalb war mein Beigeordneter im Arbeitscomite in Hanau wegen der elenden und niederschlagenden Arbeitslosigkeit, das hat uns 18 sgr gekostet und nichts gebracht ausser Ernüchterung und Verdruss. Ich habe volles Verständnis dafür, dass die verzweifelten Großauheimer am 3. und 4. April tumultig und krawallig waren. In Hanau hält schon seit 20 Jahren die Rebellion an. Was nutzt uns kleines Dorf ein Wahlgesetz, in dem alle Männer, die in Lohn und Kost stehen, ausgeschlossen sind? Alle Gesellen, Arbeiter, Knechte, Dienstboten, Gehilfen in Handel werden genauso mundtot gemacht wie die Frauenzimmer. Dabei sollen die nicht wählen, aber doch die Männer in der Industrie. Diese revolutioonieren auch, und stellen empörte Forderungen: ollen nur noch 13 Stunden am Tag arbeiten.

Solange wir noch Torf gestochen haben, blühte auch der Schmuggel mit Schnaps ins benachbarte Bayern, aber nun können wir das nicht mehr so gut verstecken, so fällt auch diese Geldquelle weg. Die aufgehetzten Hannebambel Großauheimer haben Scheiben eingeworfen, und ich will gar nicht wissen, ob sie die „Allgemeine Arbeiterzeitung“ gelesen hatten, beim Barbier statt die Bibel zu hören oder Polen- und Franzosenlieder gesungen haben. besonders beim Peter Gaul, dem Riwwelorsch und bei der Schmied-Werkstätte,, ganz ehrlich, ich weiss auch nicht warum. Haben sie das Dach abgedeckt wie die Hanauer Rabatzer.

 

1846 musste die Gemeinde beim geheimen Staatsrat Deines in Hanau 3000 Gulden und von Löb Strauss /Frankfurt 1650 Gulden für den Ankauf von Korn leihen. Der Löb -Vertrag kam aber nicht zustande, denn wir wissen nicht, wie wir all die hohen Zinsen aufbringen könnten. Bei Ihnen, durchlauchtisten Kurfürsten haben wir einen Vorrat und Bedarf an Früchte, Korn und Kartoffeln beantragt, aber da gab es nur ein goldenes Niksi und ein silbernes Warteweilche . Im Gegenteil, es hat uns Reisekosten von 12 fl 15kr gekostet um in Bonamäs Korn zu kaufen (Wo haben die Krautärsche das her) Die Lumpen haben wir dann mit 6 Mühlknechten 100 Malter geliefert. Diese Säuköpp mussten beherbergt und verfplegt werden, und haben uns die Haare vom Kopf gefressen. Helft uns doch!!!! Im letzten Jahr waren von den 49 Gestorbenen mehr als die Hälfte kleine Kinderchen unter 2 Jahre! Und nur 14 Leichen waren über 50 Jahre. Die Leute haben ein kurzes und zorniges Leben voller Entbehrung und hin und her geschubse ohne Ruhe.