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“Die Westfront sehen und sterben“

Karl Wendel – Tödlich verwundet am ersten Tag im Einsatz

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Inspiriert von den Besuchen der Lindenau-Schüler in den Archivräumen des HGV zu deren Recherche für ihr Schülerprojekt „Hanau 1914“ soll hier nachfolgend auf unserer Vereinshomepage kurz das traurige Schicksal eines jungen Soldaten aus Großauheim im 1. Weltkrieg angerissen werden:
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Karl Wendel
* 7.3.1897...† 16.12.1916
Musketier im R.I.R. 75


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Eine tragische Geschichte, die sich erst durch das Zusammenfügen verschiedenster Mosaikteilchen aus unterschiedlichen Quellen so (wieder-) erzählen lässt.
Die zeitgenössischen Dokumente und Fotos aus Familiennachlass in alle Winde zerstreut, fanden erst in jüngerer Zeit mit Hilfe des Internets und dem Spürsinn eines Sammlers und lokalhistorisch Interessierten den Weg zurück an den Geburtsort von Karl Wendel. Es galt bei spärlichen Informationen und nur bruchstückhaften Hinweisen die mögliche Gemeinsamkeit zu erkennen, um die Dinge richtig zuordnen und letztendlich wieder zusammenführen zu können.
Dann überraschend endet die Geschichte jedoch nicht mit Karl´s Tod, sondern spannt sich einem roten Faden gleich über seine Schwester bis hin zum Tod eines ihrer eigenen beiden Söhne als Funkmaat auf einem Zerstörer der Kriegsmarine im sogenannten Dritten Reich:

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Das Großauheimer Postamt befand sich zur Zeit des 1. Weltkriegs in der Nähe des Bahnhofs. Diesseits der Gleise und so doch noch dem alten Ortskern nahe, auch wenn die Gemeinde in der jüngsten Vergangenheit stark expandiert war.
Das Telegramm (s.u.), das der Postbedienstete am 28. November 1916 kurz nach 11 Uhr vormittags entgegen nahm, war nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches in jenen Tagen.
Auf Grund des immer noch stark vorhandenen dörflichen Charakters im Ort kann man wohl davon ausgehen, dass der Bote die Adressatin oder vielleicht sogar ihren Sohn, um den es in der Nachricht ja ging und der zum in Frankreich stehenden Reserve-Infanterie-Regiment 75 eingezogen war, persönlich kannte. War der Weg auch nicht weit, den er für die Zustellung bis in die Langgasse zurücklegen musste, so mag er ihm trotzdem nicht gerade leicht gefallen sein. Zumindest nicht, wenn wir ihm heute trotz des in diesen Tagen bei so vielen noch vorherrschenden, siegesbewussten Patriotismus auch ein gewisses Maß an Mitgefühl unterstellen wollen.
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„Frau Katharine Wendel, geb. Kumm
– Zustand Ihres Sohnes bedenklich verschlechtert. Kommen erwünscht. –
Reservelazarett Baugewerkschule“
(Erfurt)

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Ob der Mutter damals Zeit und Kraft, vor allem aber die Mittel gegeben waren, den geliebten Sohn in Erfurt auf dem Sterbebett noch einmal mit der Eisenbahn besuchen zu können, bleibt offen.
Möglich auch, dass ein Foto, welches ihr offensichtlich schon im Voraus zugegangen war und ihren verletzten Karl in offensichtlich guter Obhut zeigte, auf sie so verharmlosend wirkte und ihr eine trügerische Hoffnung gab, die Unheil verheißende Diagnose der Ärzte in Frage zu stellen.

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Nach dem erwähnten und oben abgebildeten Telegramm wird sie jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gefahren sein. Denn der Lazarettarzt sah sich nur 2 Wochen später veranlasst, ein Weiteres folgen zu lassen: „Zustand ernstlich verschlechtert. Kommen erwünscht.“

Karl Wendel ist vier Tage später, kurz vor Weihnachten, am 16. Dezember 1916 seinen schweren Verletzungen erlegen und verstorben. Er wurde keine 20 Jahre alt …

Eine zunehmende Tragik erfährt sein Tod, wenn man die näheren Umstände kennt: Das vom „Verein für Heimatkunde und Naturschutz“ im Jahre 1936 – ganz im Sinne der damaligen Zeit – angelegte Gedenkbuch „Unsere Gefallenen“ (Anmerk.: aus ganz Großauheim) erinnert an ihn wie folgt: „Bei Patrouillengang an der Somme Kopfschuss erhalten und im Lazarett zu Erfurt unter schweren Leiden gestorben. War nur 9 ½ Stunden im Felde!

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Karl Wendel ist einer der ganz wenigen Großauheimer Gefallenen des 1. Weltkriegs, dessen Leichnam nach Hause überführt und auf dem hiesigen Friedhof beigesetzt wurde. Hier liegt er in Reihe mit vielen weiteren Opfern dieses schrecklichen Krieges. Vornehmlich verstorben im örtlichen Reservelazarett, welches sich am Main nahe der Brücke in der ehemaligen Kunstseidefabrik (späteres Bautz Traktorenwerk) befand.

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Und weil viele in Deutschland – aber nicht nur hier – aus den Schrecken und Gräueln des „Großen Krieges“ nichts gelernt hatten, folgte ein weiterer, der 2. Weltkrieg, in dem noch weit mehr Blut vergossen werden sollte als zuvor.

So fand sich auch die Schwester von Karl Wendel auf dem Ehrenhain für die Gefallenen – damals pathetisch „Heldenfriedhof“ genannt – wieder. Doch sie kam auf dem nachstehenden Foto nicht um ihrem Bruder zu gedenken, sondern vielmehr um den Tod ihres ältesten Sohnes an dessen noch frischen Grabe zu betrauern.

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Willi Ebert
* 19.1.1818...† 15.2.1942
Funkmaat

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Die Umstände haben es nicht zugelassen, als dass sie sich hätten kennen lernen können – Onkel und Neffe – und jetzt lagen sie als Tote in vermeintlicher Augenweite fast nebeneinander in Großauheimer Erde.

Sich dem familiären Schicksal und dem verwandtschaftlichen Verhältnis der beiden Gefallenen bei späteren Umgestaltungen der Grabanlage noch bewusst, wurden in diesem Fall ihrer beider Namen zusammen auf eine Metallplatte zu ihrem Gedächtnis verewigt.
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Als Kriegstoten ist ihnen in Deutschland per Gesetz von 1952 ein ewiges Ruherecht zugesichert. Dies zu gewährleisten setzt sich u.a. der Volksbund Deutsche Kriegsgräberführsorge ein und die Stadt Hanau pflegt ihre Gräber.
Doch viele – zu viele – ähnliche Schicksale und Geschichten verblassen leider über die Zeit neben „der“ Geschichte oder geraden gar gänzlich in Vergessenheit. So wie es mit dieser hier eben beinahe auch geschehen wäre.

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Da ist es mehr als gut, wenn sich heute junge Menschen – Schülerinnen und Schüler, kurz vor dem Abitur stehend – auf lokale Spurensuche begeben um diese zu dokumentieren und weiteres recherchieren.
Es ist weitaus mehr als reiner Schulunterricht – wenn auch ein Leistungskurs im Fach Geschichte. Es ist ein Projekt in das alle Beteiligten zudem jede Menge Freizeit investieren.
Bleibt der Schülergruppe und ihren betreuenden Pädagogen zu wünschen, dass ihr Projekt von Erfolg gekrönt sein wird, was jedoch bei dem gezeigten Engagement außer Frage stehen sollte. So kann man erwartungsvoll der Präsentation ihrer Ergebnisse entgegen sehen und gespannt sein.

In Deutschland jährt sich am 1. August 2014 zum 100. Mal der Jahrestag des Ausbruchs jenes großen Krieges, der zunächst als „Weltenbrand“ und später als „1. Weltkrieg“ in die Geschichte eingehen sollte.

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- Wider dem Vergessen -

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- Weiter Informationen zu besagtem Schülerprojekt finden sich hier

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