Rede der Vereinsvorsitzenden Frau Dr. Sabine Laber-Szillat zum

40. Jubiläum des heutigen Museums Großauheim

 

Heute will ich an die Vorgeschichte erinnern:

Exemplarisch dazu habe ich 4 Gegenstände aus der Sammlung des Vereins für Heimatkunde und Naturschutz Großauheim 1929, der heute Heimat- und Geschichtsverein heißt, mitgebracht.

  1. Ein afrikanischer Speer aus dem Ersten Weltkrieg, der von französischen Kolonialtruppen stammt.

Er ist einer der frühen Gegenstände, die unser Verein seit 1929 sammelte. Ich wählte ihn, um auch die Geschichte der Afrikaner im lokalen und globalen Geschehen darzustellen. Viele unserer Gegenstände zeigen diese internationalen historischen Vernetzungen auf und veranschaulichen unsere Sammlung keineswegs als so kleinkariert, wie oft gedacht wird. Denken wir nur an General von Wrede aus der napoleonischen Schlacht um Hanau, wo wir sehen, wie sich das Internationale auf das Lokale auswirkt und betrachten wir den Aufbau der Rüstungsindustrie im kaiserlichen Reich mit den Zusammenhängen der Industrie- und Rüstungsgeschichte auf unser Ort.

Von Anfang an strebte der Verein ein Museum an, das auf der Grundlage solcher originalen Zeugnisse die heimische Vergangenheit realistisch und attraktiv veranschaulicht. Die Darstellung unserer Geschichte ist eine Konstruktion, eine Erzählung, die sich im Lauf des Lebens verändert. Denken wir nur daran, dass in meiner Jugend eigentlich nur die männliche weiße Geschichte berichtet wurde, während heute auch die Historie von Frauen verstärkt wahrgenommen wird. Um dieses, sich ändernde Bild ausstellen zu können, braucht man Gegenstände und Details, die man immer wieder neu bewerten und interpretieren kann.

  1. Ein Transparent des vorangegangenen Großauheimer Heimatmuseums von 1933.

Bemühungen um Räumlichkeiten führten jedoch erst zum Ziel, als die gerade an die Macht gekommenen Nationalsozialisten die Chance sahen, bei traditionsbewussten Einwohnern Punkte zu machen. Die Gemeindeverwaltung übergab dem Verein ein Klassenzimmer in der Haggassenschule (Haggasse 4), wo das Museum am 10. September 1933 feierlich eröffnet wurde, also ziemlich genau vor 90 Jahren.

Als die Haggassenschule 1934 zum neuen Rathaus wurde, zog das Museum in den Saal des Alten Rathauses um, wo noch zwei Räume dazukamen.  Nach der Eröffnung am 29. Juli 1934 war das Museum regelmäßig geöffnet, der Eintritt kostete 10 Pfennige, und es gab auch Sonderausstellungen. Schon damals war es offensichtlich notwendig, den Museumsbesuch aktiv zu bewerben. Es wurde niemals von einem Sturm auf das Heimatmuseum berichtet. Andererseits erschien es immer opportun, einen solchen kulturellen Raum zur Verfügung zu stellen. Der Zweite Weltkrieg unterbrach die positive Entwicklung, 1942 musste das Museum Flaksoldaten weichen. Bei Kriegsende wurde der Bestand in die heutige August-Gaul-Schule ausgelagert. Dabei gingen leider wertvolle Sammlungsstücke verloren.

Eine Arbeitsgruppe des Heimatvereins führte in der Nachkriegszeit die Erforschung der Ortsgeschichte weiter, publizierte die Ergebnisse in Veröffentlichungen und Vorträgen und trug maßgeblich zur Stadterhebung bei der 1150-Jahrfeier 1956 bei. Hier sind Alois Funk und die Brüder Heinrich und Karl Kurzschenkel und zu erwähnen, im Volksmund „Stehkrage“ und „Gehstehhinnermich“ genannt. Diese bedeutenden Lokalhistoriker richteten 1968 ein Schaumagazin der ortsgeschichtlichen Sammlungen ein, das an Tagen der offenen Tür geöffnet wurde, und die junge Stadt dachte an ein richtiges Museum in der Alten Schule. In ihm sollten auch die Werke August Gauls ihren Platz finden, die nun laufend erworben wurden. Diese Initiative geht auf August Peukert zurück.

Der Streit um die Erhaltung der herunter gekommenen Alten Schule und dann der Kampf um die Bewahrung der gemeindlichen Selbständigkeit hemmten allerdings die Verwirklichung. Sie führte jedoch zu einer Erstarkung und Neuorientierung unseres Vereins unter der Führung von Dr. Bertold Picard. Am Ende wurde die Alte Schule saniert und ist heute ein wichtiger Ort für Feiern und Begegnung.

  1. Das Papp-Köfferchen der Heide Splitthoff

In diesen Jahren ging durch die Presse die tragische Geschichte von zwei im Krankenhaus Hanau vertauschten Babys.  Es war ein wichtiges Ereignis für mich.  In der Spessartstraße lebte die damals 10jährige Heide, deren zwangsweise Rückführung zu den biologischen Eltern ich miterlebte, ebenso das Unglück der ausgetauschten Gudrun. Mit diesem Köfferchen wurde die jugendliche Heide gewaltsam zurückgebracht. Es gibt Medienereignisse, die sensationell aber auch über unsere Grenzen hinaus wichtig und Diskurs auslösend waren. Es erscheint mir wichtig, auf solche Ereignisse hinzuweisen und sie zu sammeln.

Die Sammlung wuchs in den 1970er Jahren stark an unter dem neuen Geschichtsverein. Es kam zu geordneter Erfassung des Magazins. Mit dem Verlust der Selbständigkeit 1974 hatte der Stadtteil aber immer noch kein Museum. Den Wunsch danach, vorgetragen besonders vom inzwischen reaktivierten und mit Ausstellungen hervortretenden Heimatverein, erkannte Hanau jedoch an und bereitete eine Neugründung unter Einbeziehung der ortsgeschichtlichen Sammlungen des Heimatvereins vor. Das Ergebnis war 1983 das heutige städtische Museum Großauheim, auf das alle Großauheimer sehr stolz waren. Vierzig Jahre ist es jetzt schon alt, aber ohne das Heimatmuseum von 1933 und die Großauheimer Museumsbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg wäre es nicht entstanden.

Es bleibt unser wichtiges Anliegen, dass in diesem Großauheimer Museum auch der lokalen Geschichte eine größere Aufmerksamkeit gezollt wird. Die Ortsgeschichte wird in der Neugestaltung 2011/2012 nur minimal mit einigen wenigen Schwarz-Weiß-Fotos dargestellt. Dabei ist sie reich und farbig und seit ca. 10 Jahren liegen Vorschläge von uns vor, wie der Gang, in dem diese Fotos jetzt seit 12 Jahren unverändert hängen, lebhafter, interessanter und vor allem informativer gemacht werden kann. Wir haben jetzt ca. 3000 Gegenstände und ca. 10tsd. Bilder, da könnte man doch mal was draus machen!!

  1. Einen Puhlschepper

Damit bringe ich Ihnen einen erst kürzlich erworbenen Alltagsgegenstand. Die Darstellung des Alltags ist banal aber wichtig, denn sie ist einerseits individuell und beschreibt gleichzeitig die Gesellschaft. Ich denke doch, dass alle noch wissen, was ein Puhlschepper ist? Wie roh und körperlich die Arbeit war und wie Hygiene noch Handarbeit war.  Er ist aus jener Zeit, die wir kennen sollten, ohne uns naiv dorthin zurück zu sehnen.