Ich bedanke mich bei allen, die die Ausstellung und diese Vernissage ermöglichen, bei allen Ehrengästen, die sie geplant, aufgebaut oder finanziert haben und bei allen anderen Gästen, die mit ihrem Interesse an August Gaul dieses Projekt erst zum Leben erweckt haben. Der schöne Titel der Ausstellung heißt: „Weil es mir Freude macht“.

Wenn ich mich mit meiner beruflichen Deformation dem Thema der hiesigen Ausstellung nähere, dann fällt mir als erstes ein Zitat Sigmund Freunds ein, das heißt: „Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen“.

Angewendet auf AG können wir als großen Schmerz die lange Krankheit und den frühen Tod seiner Mutter Katharina benennen. Wenn auch früher Tod damals häufiger war, so war er aber doch keineswegs angstfreier und schmerzärmer als heute.

Wer solche beklagenswerte Abschiede von sterbenden Müttern beobachtet hat, kennt die intensive Nähe, die eine lange Krankheit begleitet und die dem Tod vorausgeht. Immer wieder war ich sehr berührt von den phantasievollen Versuchen der Eltern, die Kinder auf die Trennung vorzubereiten und häufig habe ich erlebt wie sie z.B. gesagt haben: „Mein Kind, ich lächele dir aus jeder Blüte entgegen, und im Himmel sehen wir uns wieder.“ oder „ich winke dir von den Sternen aus zu“

Mit welchen Worten hat die sterbende Katharina Gaul wohl ihren weinenden August getröstet? Hat sie ihn in den Arm genommen und gesagt: „Augustchen, ich bin sicher, dass die Mamas alle in Tieren wieder geboren werden, damit die Kinder nicht alleine sind“? „Lieber Bub, immer wenn du ein Entchen siehst, dann denke ich an Dich“. Immerhin hat AG mindestens jedes Jahr eine Ente gemacht, Entchen sind sein erstes und auch sein häufigstes Motiv. Es erscheint mir sehr plausibel, wie würden Sie und ich reagieren, wüssten wir, dass wir einen kleinen Jungen mutterseelenallein zurück lassen müssten? Was immer auch die kranke Sombornerin ihrem 12jährigen mit gegeben hat, es war tröstlich, kraftvoll und ermutigend. Es führte August zur Kunst.

Dabei war er beeinflusst von seinem Vater. Philipp war ja nicht nur Nebenerwerbslandwirt sondern vor allem ein gesuchter Steinmetz, der nicht nur normale Fenster- und Türgewände und Treppenstufen schlug, sondern auch so diffizile Aufträge wie Denkmale und Wegkreuze bekam. Auch dessen Vater und Großvater waren offensichtlich schon qualifizierte Handwerker: Weißbinder, Schuhmacher, Steinmetze.

„Kunst trägt die Botschaft des Schmerzes“ formuliert es Kahlo, aber Kunst trägt vor allem auch die Tapferkeit des Lebens.

Kunst besteht nur aus 10% Inspiration und leider auch zu 90% aus Transpiration. Fleiß erlernte August überall aus seinem Umfeld: wir kennen als Freunde der Familie die tüchtigen Handwerker: Glaser, Schuhmacher, Brauer und fleißige Bauern. Er wächst auf im Zeitgeist dörflichet Solidarität und industriellem Aufbruch. Nahtlos geht seine Erziehung über in die strenge Hand seiner Stiefmutter Anna-Maria. Mit fleißigen Händen also ist er ausgestattet: uns ist bekannt, dass er bereits mit 5 J. einen kleinen Trog in der Werkstatt seines Vaters klüpfelte. Um den Tod seiner Mutter war er bereits kreativ in der Werkstatt Rhein tätig. In seinem kurzen Leben von nur 52 Jahren schuf er mehr als 300 Objekte in Porzellan, Stein und Bronze ohne die ungezählten Drucke und Zeichnungen.

 

Aber Schmerz und Fleiß allein erklären noch nicht seine Kunst: vor allem braucht es einen genialen Geist. Der entfaltet sich früh: er war ein ausgesprochen guter Schüler mit hervorragenden Noten, seine auffallende Begabung wurde gefördert von Lehrern und Vater. Er wurde hinausgelobt in die Welt und so verließ er mit 18 Jahren seine Heimat um tapfer und wohl manchmal auch heimwehkrank die Berliner Herausforderung zu bestehen.

Mit häufigen Briefen hielt er Kontakt zu Freunden, Nachbarn und zur Familie. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, besuchte er sie, oft auch in Berliner Begleitung. Dann wanderten sie nach Michelbach und dann schwankten Heiner, Carl und August weinselig wieder zurück.

Was Gaul und seine Freunde zu schätzen wussten, bietet Ihnen heute der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim als AG-Wein an. Es ist ein guter Tropfen aus dem Weingut Hubert in Hörstein und für 11 € wohlfeil. Familie Derzbach, das Museum und das Cafè Rayher vertreibt den Wein. Die Edition Kasuar ist bereits ausverkauft, von Pinguin gibt nur noch wenige Exemplare, und eine neue Edition wird gerade vorbereitet. Ich hoffe, dass diese Edition den Schmetterlingen gewidmet wird um daran zu erinnern, dass Gaul und seine Freunde mit Botanisierbüchsen und Schmetterlingsnetzen über die Großauheimer Wiesen und Waldraine sprangen. Sonnenverbrannt ruderten sie neben der Maakuh hinauf nach Hainstadt und Seligenstadt, ob es den Eis-Kaiser schon gab, weiß ich aber nicht. All diese Details zu Gauls Leben werden Sie auch in der Ausstellung aufgearbeitet finden. Dr. Picard hat diese Informationen im 4. Band unserer Reihe „Großauheimer Wurzeln“ zusammen getragen und grundlegende Fakten zu seiner Großauheimer Zeit gefunden, die in Gauls Biografie noch nicht berücksichtigt wurden und doch Basis für sein Werk sind. Wir stellen unser Buch hiermit der Öffentlichkeit vor. Es wird ab heute für 9,80 € im Handel sein. Es kann über den Verein, das Museum, das Café Rayher bezogen werden.

 

Dr. Picard hat sich in seinem Beitrag auch intensiv mit der Rezeption des Künstlers in seiner Heimat beschäftigt. Wir wissen, dass Großauheimer Freunde August Gaul in Berlin besuchten und dass viele in seinen Spuren ebenfalls in die Hauptstadt aufbrachen, um dort ihr Glück zu machen. Auch seine Stiefschwester und Stiefmutter besuchten ihn. So machte es auch der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim, der am Anfang dieses Monats eine interessante Exkursion nach Berlin unternahm, geführt von Hr. Schaffer-Hartmann. Besonders eindrucksvoll war neben dem Hirschbrunnen die Gießerei Noack, die ja auch auf Gauls Betreiben entstand.

 

Dort trafen wir auf meinen Sohn Peter Szillat, ebenfalls ein Großauheimer in Berlin. Dessen Aufsatz beschäftigt sich mit der Beziehung von Zoos und Bildhauerei. Wie Sie wissen, war ja in Gauls Biografie der Gewinn einer Freikarte zum Berliner Zoo eine entscheidende Förderung seiner Neigung. Wie also die Tiere aus dem Käfig aufs Podest kamen, kann man hier nachlesen. Der dritte Aufsatz ist das kommentierte Drehbuch zum Theaterstück, liebevoll gestaltet von meinem Ehemann Heinrich Hartl.

 

„Gaulchen, Paulchen und Tilla“ ist auch eine Möglichkeit, August Gaul kennenzulernen und Freunde für ihn zu gewinnen. Als wir am Mittwoch unsere letzte Probe beendeten, waren bereits mehr als 70 Leute an diesem Projekt beteiligt. Der Regisseur Oliver Nedelmann sagt so treffend: Kunst macht Freude, aber auch viel Arbeit. Es war uns eine arbeitsreiche Freude, dieses Stück für nächstes Wochenende vorzubereiten. Und da schließt sich der Kreis: Wir lassen uns von Gauls Freude anstecken und wir würden uns geehrt fühlen, wenn wir unsere Freude mit Ihnen teilen dürften. Wir präsentieren ihn mit seinen Freunden Paul Cassirer aus Berlin, mit den Großauheimer Freunden Carl Kronenberger, Heiner Botzum und Heinrich Schuler. Wir stellen seine Familie vor: die geliebte Stiefschwester Emma und seinen Vater aber auch seine Stiefmutter, zu der er ein gespanntes Verhältnis hatte, wie das halt in Patchwork-Familien zu sein pflegt. Einige Karten sind noch für 8€ im Vorverkauf erhältlich.

 

Patchwork hat auch diese Ausstellung ermöglicht, viele Hände, viele Ideen und auch viel Geld sind zusammen geflossen. Wir wünschen dem Museum viel Erfolg und danken für die Zusammenarbeit.