Vom Neuwirtshaus zu den Römern
- Exkursion mit Vorstandsmitglied Reiner Kargl am 13.06.2015 –
Bei herrlichem Wetter begrüßte Vorstandsmitglied Reiner Kargl die überaus große Anzahl von Teilnehmern (ca. 50 Personen) an dieser Exkursion. Aus vielen Nachbargemeinden waren die Teilnehmer gekommen und ganz besonders begrüßte Reiner Kargl einen ehemaligen Bewohner des Neuwirtshauses mit seiner Frau, der heute in Taiwan lebt und es sich nicht nehmen ließ, an diesem Nachmittag dabei zu sein. Zahlreiche Anekdoten gibt es über das Neuwirtshaus zu erzählen, so begann Reiner Kargl mit seinen Ausführungen. Im Jahre 1693 am 16.12. wurde einem Mathes Botzum, aus Bernbach, vom damaligen Schultheiss, Gericht und Gemeinde zu Großauheim, ein Bauplatz an der „Alten Waldstaße“ für eine jährliche Pacht von drei und einem halben Gulden überlassen. Diese von der Gemeinde festgelegte Summe, wurde jährlich dem Pfarrer für die Abhaltung des Hageltages (26.Juni) und des Rochustages (16. August) sowie dem Lehrer für die Betstunden in der Fastenzeit zugesagt. Einige Zeit später (1713) wurde ein zweites Haus von Johann Botzum, das heutige „Alte Neuwirtshaus“ errichtet. Nach Erzählungen überliefert, führte die Rochusprozession von 1845 bis 1850 über den Rochusplatz bis hinaus zum Neuwirtshaus, da sich hier zwischen den beiden Häusern ein Kreuz befand. 1850 wurde dies aber wieder eingestellt, da nach Berichten vom damaligen Besitzer Adam Amrhein, sich mit der Zeit eine Unsitte eingestellt hatte, dass die Männer mehr dem weltlichen Genuss des Bieres als dem Gebet zugetan waren, sodass der Pfarrer nur mit den Frauen und Messdienern den Rückweg antrat. Völlig unerwartet für die Zuhörer trat in damaliger Kleidung, ein Hanauer Beamter mit Namen Schunk auf (dargestellt von Stefan Mader vom HGV Steinheim) und forderte vom Wirt Johann Jörg Huth (dargestellt von Vereinsmitglied Heinrich Schmidt), ihm sein Wein- und Biermaß vorzuzeigen. Die Kontrolle zeigte, das der Wirt das Steinheimer Maß hatte und nicht das Hanauer Maß. Mit harschen Worten verlangte er vom Wirt sich binnen acht Tagen ein Hanauer Maß anfertigen zu lassen, da doch das Neuwirtshaus zur Hälfte auf Hanauer Boden stehe. Ein fassungsloser Wirt blieb nach dem Abgang zurück, er hatte doch schon immer das Steinheimer Maß geführt, weil das Neuwirtshaus zu Auheim und damit zum Amt Steinheim gehörte. Die Angelegenheit, so die Erzählung, ging vor den Schultheiß, dieser wiederum meldete dies an das Amt Steinheim und dieses gab es weiter nach Mainz an die kurfürstliche Regierung. Mainz gab die Anweisung „Man möge die Sache vorläufig auf sich beruhen lassen“. Daraufhin erfolgte 1752 eine genaue Grenzbegehung. Zum Disput zwischen den beiden Parteien Kurmainz und Hanau, kam es an den Grenzsteinen Nr. 24 und Nr. 25, da nach Ansicht der Hanauer sich die Grenzsteine nicht an ihrer richtigen Stelle befänden. Tatsächlich hätte demnach das Neuwirtshaus zur Hälfte auf Hanauer Boden gestanden. Das Geschäft bei diesen anstrengenden drei Tagen, machte der Wirt mit der Beköstigung der Grenzgänger. 12 Gulden und 39 Kreuzer hatte die Gemeinde an Jörg Huth zu zahlen. Erst um 1850 erledigte sich die Streitfrage, als Adam Amrhein das zweite Wirtshaus erwarb und da zu diesem Anwesen mehrere Morgen Ackerland gehörte, welches der Gemarkung Großauheim zugeschlagen wurden. Interessant zu hören war, dass das Neuwirtshaus mehrere Jahre von französischer Seite beansprucht wurde. Napoleon hatte seiner Schwester, Prinzessin Pauline, viele Ländereien geschenkt, von denen auch einige bei Hanau lagen. In einem Urkundenband (im Besitz des Heimat- und Geschichtsvereins Hanau) werden Grundstücke aufgezählt, worin die beiden Neuwirtshäuser zur Gemarkung Niederrodenbach in der Grafschaft Hanau genannt sind und somit Eigentum der Prinzessin Pauline waren. Von 1802 bis 1809 zahlten die Wirte zusätzlich zu ihrer üblichen Pacht an die Gemeinde Großauheim, noch Pacht an die französische Domänenverwaltung. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte das östliche Anwesen der Familie Kronenberger, das westliche der Familie Amrhein. Nach diesen sehr informativen und anschaulichen Ausführungen ging Reiner Kargl noch an dieser Stelle auf die Birkenhainer Straße ein. Dieser uralte Handelsweg, auch Autobahn des Mittelalters genannt, zuletzt von Gemünden am Main durch den Spessart kommend, führt genau an den beiden Neuwirtshäusern vorbei. In früheren Zeiten zogen Handelskarawanen auf der Birkenhainer Straße von Ost- und Mittelfranken in das Rhein-Main-Gebiet. Ein Wald Birkenhain bei Geiselbach im Spessart und die vielen Birken am Wegesrand, gaben dieser Fernstraße ihren Namen. In der Nähe dieses bereits in vorgeschichtlicher Zeit genutzten Weges, führte der Obergermanische Limes entlang und die Römer errichteten ca. 100 n. Chr. unter Kaiser Hadrian 80 m hinter dem Limes das Kleinkastell Neuwirtshaus. Zu diesem Kleinkastell Neuwirtshaus, führte Reiner Kargl die Teilnehmer der Exkursion an Informationstafeln vorbei, mit Erläuterungen über den Limes als UNESCO-Welterbe, dem Verlauf des Limes im Main-Kinzig-Kreis von Marköbel bis Großkrotzenburg (hier begann dann der sog. „Nasse Limes“ auf dem Main bis Miltenberg), dem Aufbau (Wall, Palisadengraben) und der Truppenstärke dieses Kleinkastells. Die Aufgabe dieser ca. 30 Mann Besatzung bestand in der Überwachung der Limeslücken im Torfbruch, der Bulau sowie dem Verkehr auf der Birkenhainer Straße. Alle 700 – 1000 Meter waren direkt hinter dem Limes Wachtürme errichtet, deren vier oder fünf Mann Besatzung mit Rauch- oder akustischen Signalen, die nächsten Kastelle bei einem feindlichen Grenzübertritt warnten. Vom Kleinkastell Neuwirtshaus selbst, sind von seiner rechteckigen Fläche nur noch Reste eines Erdwalles erkennenbar. Eine Informationstafel zeigt einen Grundriss des Kastells, hierin ist auch zu erkennen, dass die Baracken der Garnision hufeisenförmig angeordnet waren. Die Limesanlagen gingen um 260 n.Chr. mit dem Einrücken der Alemannen und dem damit beginnenden Zusammenbruch der Römerherrschaft unter. Der Nachmittag für die Teilnehmer der Exkursion war aber hier noch nicht zu Ende. Der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim hatte alle Teilnehmer zu einem kostenlosen Imbiss zur nahe gelegenen Grenzwalleiche eingeladen. Diese über 400 Jahre alte Eiche steht dort, wo die Birkenhainer Straße auf den Limes trifft. Ein idyllischer Platz lud zum gemütlichen Beisammensein ein. Passend zum Getränk, sang Jürgen Riepl, aus Erlensee, unter der Beteiligung der Anwesenden, sein Lied vom „Handkääs un vom Äbbelwoi“. Ein gelungener Nachmittag bei herrlichem Wetter ging leider viel zu schnell vorbei. Die Resonanz der Teilnehmer spiegelte sich in einem Abschiedsgruß wieder: „Wer nicht dabei war, hat etwas versäumt“. www.grossauheimer-geschichtsverein.de