1. Jahrgang                                  Gross-Auheim, den 8. Januar 1937                                   Nr. 1.

     Der Verein für Heimatkunde und Naturschutz Gross-Auheim (kurz Heimatverein) gibt vom Jahre 1937 an für seine Mitglieder das Mitteilungsblatt „Am Heimatborn“ heraus. Das Blatt wird die Mitglieder zunächst über die Vorgänge im Verein Auskunft geben, dann aber auch laufend aus den Gebieten der Heimatkunde und der Naturkunde berichten. Besonders soll der Inhalt die Mitglieder, und überhaupt die Freunde der Heimatsache zur tätigen Mitarbeit anregen. Unsere Aufgaben sind so vielseitig, dass jeder der guten Willens ist und die Kraft zum Durchhalten mitbringt, ein seinem Wesen entsprechendes Betätigungsfeld findet. Wem es mit Heimat- und Volkskunde, Familienforschung, Naturschutz, usw. ernst ist der muss auch mit der Tat seinen Teil hierzu beitragen, sei es durch praktische Mitarbeit, durch Geben von brauchbaren Anregungen und durch Eintreten für unsere Belange. Wir wissen, dass unser Führer auch auf kulturellem und auf naturkundlichem Gebiet ganze Arbeit verlangt, die zu verrichten, sich der Heimatverein zum Ziele gesetzt hat.

Vereinsnachrichten:  Allen Heimatfreunden wünschen wir ein gesegnetes und glücksbringendes neues Jahr!

     Jeden Donnerstag Abend 20 Uhr Zusammenkunft der Mitglieder im Museum zu praktischer Betätigung.

     Dortselbst ordnen wir z.Z. die Zeitungsausschnitte, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben.  Wohl waren sie seither in Mappen aufbewahrt, doch entsprach dies nicht der nötigen Übersichtlichkeit. Wer noch von früherher  Zeitungsausschnitte hat, möge sie uns alsbald zur Verfügung stellen.

     Das Heimatmuseum bleibt den Winter über geschlossen.

     Die Bilder unseres Mitglieds, des heimischen Malers A. Peukert auf der Frankfurter Gau-Kunstaus-stellung fanden lebhaften Beifall. Das Frankfurter Volksblatt schreibt u.a.: „…..besonders der  mit der Farbe modellierende Peukert macht sich durch sein Temparament bemerkbar“ (Ausgabe v. 2.11.36). Die Ausstellung wird z.Z. in Wiesbaden gezeigt, anschliessend auch in anderen Städten. Auch in der Zeichen-akademie Hanau konnte Peukert im Kreise Hanauer Maler mit Erfolg ausstellen. Seine Bilder gehörten mit zu den besten.

    Die Jahreshauptversammlung des Heimatvereins findet am Freitag, 22.Jan. 1937 im Gasthaus zum Anker statt. Beginn pünktlich 20 ¼ Uhr. Die Tagesordnung enthält neben dem üblichen Jahres- und Kassenbericht einen Lichtbildervortrag von Frl. Dr. M. Hain über „Oberhessische Trachten“. Von den Mitgliedern wird erwartet, dass sie sich ausnahmslos zur Jahreshauptversammlung einfinden. Auch Freunde der Heimatsache sind herzlich willkommen. Der Vortrag von Frl. Dr. Hain dürfte bei den Frauen besonderen Anklang finden; es ist deshalb erwünscht, dass Mitglieder auch ihre Angehörigen mitbringen.                                                                                                                                        Der Vorstand.

Die Blätter erscheinen in zwangloser unbestimmter Folge.

Aufbewahren!             In Schnellhefter sammeln!

     Schriftsetzung: A. W. Funk, Hldstr.                                                  b. w.

 

„Am Heimatborn“.1937. Nr. 1.

Heimatkunde, Volkskunde, Familienforschung, Naturschutz:

(Darf nur mit Zustimmung des Heimatvereins veröffentlicht werden.)

Unter diesem Abschnitt bringen wir kleine Abhandlungen etc. Sie sollen bei unseren Lesern die Liebe zur Heimat wecken und ihnen Anknüpfungspunkte zur sachlichen Mitarbeit geben. Vielfach reichen die vorhandenen Quellen-Unterlagen usw. nicht aus, um das eine oder andere unserer Heimatgeschichte genügend zu erkennen; deshalb werden wir noch manchmal Lücken finden. Sie auszufüllen, soll das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit sein.

D i e   P f o r t e .     

 

Seiner Gestalt nach bildete unser Ort früher einen Rundling, der aber wegen der Begrenzung durch den Main nur aus einer Hälfte bestand und deshalb die Form eines Halbmondes hatte. Langgasse (bis Engel), Hintergasse und Haggasse zeigen uns heute noch den Aufriss des Dorfes von ehedem. Die einzige Zufahrt zu diesem, rundum von Höfen, Scheunen und Gärten eingegrenzten Ort ging durch die Pforte. Wann die Pforte errichtet wurde, konnten wir bisher noch nicht feststellen. Die erste Erwähnung schildert Zimmermann (Hanau Stadt u. Land) S. LXXI: Vom Jahre 1433 wird bezüglich des Kinzdorftores in Hanau erwähnt „ein acker vor der Auwheymer porten“.

     Über ihr Aussehen belehrt uns eine Skizze im Mainzer Jurisdiktionalbuch Nr. 26 (Staatsarchiv Würzburg) aus 1592. Wir sehen da in einer Darstellung unseres Ortes neben dem romanischen Kirchturm (wie der zu Bruchköbel) einen ebenso hohen zweiten Turm mit breitem Zeltdach; ohne Zweifel ist dies der Pfortenturm. Unser Dorf hatte also, wie auch andere Gemeinden unserer Nachbarschaft im Mittelalter einen Torturm. Auf der „Ungefährlichen Delination“ von 1740 (ebenfalls in Würzburg) finden wir von diesem Turm nichts mehr, er muss wohl inzwischen abgebrochen worden sein. Auf Grund der meterdicken Grundmauern liegt die Vermutung nahe, dass das alte Rathaus, ehedem  Gasthaus zum Löwen (nach dem eingelassenen Stein 1487 erbaut) ursprünglich den Turm bildete und dass dieser im 30jähr. Krieg beschädigt und deshalb abgebrochen wurde.

     Das Tor selbst wurde erst 1817 auf Abbruch verkauft. Aus dem Bericht des Amtes Bücherthal an Kurf. Regierung v. 9.5.1817 über den beabsichtigten Verkauf hören wir auch etwas über das Aussehen dieses Tores. Der Bericht lautet: „In Grosauheim befindet sich mitten im Ort ein uraltes steinernes Thor, welches gegenwärtig als völlig zwecklos und bei der Baufälligkeit des Gewölbes das bereits einen starken Riss hat, Gefahr drohend nothwendig abgebrochen werden muss. Nach Ausweis des Protokolls sind darauf 38 fl (Gulden) geboten worden, ein Preis der bei dem geringfügigen, nur mit einem schlechten gemeinen Schindeldache bedeckten Gemäuer angemessen erscheint und gebe ich daher die Genehmigung des Zuschlags Kurf. Regierung ehrerbietig anheim“. (Staats-Archiv Marburg) Die Kurhess. Regierung genehmigte den Verkauf und der Amtmann vom Bücherthal gab dem Auheimer Schultheisen den Auftrag, das Tor alsbald von dem Meistbietenden Joseph Mangelmann abbrechen zu lassen. Binnen vier Wochen müsse der Abbruch vollendet und der Platz gehörig gesäubert sein. Der Erlös von 38 fl sei zur Abtragung von Kapitalzinsen (Kriegskosten) zu verwenden. (Urkd. 14 z. Gemeinderechnung  1817) Ausweislich der Gemeinderechnung ist das Geld eingezahlt worden; das Tor wurde also bestimmt 1817 abgebrochen. Amtmann Dehn-Rothfelser erhielt für die dem Abbruch vorausgegangene Besichtigung des Tores 3 fl aus der Gemeindekasse. (Urkd. 38).

     Wo war das Pfortentor nun gestanden? Falsch ist die Meinung, dass der Torbogen in dem Fachwerk-haus neben dem alten Löwen die ehemalige Pforte sei. Die Pforte schloss vielmehr quer die heutige Pfortengasse ab und war auf der einen Seite in die Mitte der Giebelseite des alten Löwen eingelassen, auf der anderen Seite wahrscheinlich an das in den 90er Jahren abgerissene sog. Armenhaus angelehnt. Beim Abbruch des Tores wurden auch Steine der Löwen-Giebelwand herausgerissen und durch Ziegelbrocken ersetzt. Auch die Nische für die Muttergottesstatue befand sich früher an der Giebelseite dorfeinwärts vom Tor, während an der Aussenseite Schiesscharten vorgesehen waren. Das Tor hatte also auch die Bestimmung gehabt im Ernstfalle einen ersten Angriff auf das Dorf abwehren zu können.

     Wir sehen, dass über die Pforte nur spärliche Angaben vorliegen. Alte Leute indessen wissen von ihren Eltern noch manches von dem historischen Gebäude zu erzählen. Es wäre nötig, wenigstens diese Nachrichten, soweit sie zuverlässig sind, zu sammeln und den Nachkommen zu überliefern.       H.K.