Der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim hat in seinem Vortrag „Vom Tod in Auheim“ ein Thema aufgegriffen, dass mehr 60 Besucher ansprach. Nicht das Sterben stand im Mittelpunkt, sondern die unterschiedlichen Aspekte der Totenehre, der Ansichten über das Totenreich und die Rituale der Beerdigung.
Vom „unheimlich vertrauten“ Umgang mit dem Gevatter Tod berichtete die Ärztin Dr. Sabine Laber-Szillat und schilderte aus ihrer dreißigjährigen Berufstätigkeit über Begegnungen mit dem Tod. An was wir heute sterben – ein Drittel an Erkrankungen der Gefäße und ein Viertel an Krebs – unterscheidet sich fundamental von den Todesursachen früherer Jahre, wo die Kindersterblichkeit, die Infektionen und die unnatürlichen Ursachen häufiger waren. Auch anhand der Krankheitsgeschichte der Hanauer Grafenfamilie und der historischen Aufzeichnungen über die Auheimer Ärzte stellte sie die medizinische Versorgung klar.
Der Beitrag des Pfarrers Manuel Stickel zeigte, in welchem Umfang unsere Vorstellungen von dem Leben nach dem Tod das Leben prägt. Er spannte den Bogen von dem jüdischen Totenreich Scheol in welches alle Menschen nach dem Tod hinabsteigen müssen um dort ein Leben in Finsternis und Trostlosigkeit zu führen bis zu heutigen Bildern. Der Scheol liegt in den Tiefen der Erde. Aus diesem trostlosen Schattenreich entwickelte sich dann die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, das wenigstens den Guten und Gerechten eine Freude sei. Erst später entwickelten sich Ideen von ausgleichender Gerechtigkeit nach dem Tod.
Den lokalhistorischen Aspekt stellte Dr. Bertold Picard vor: von den frühbronzezeitlichen Gräberfeldern – auch damals gab es bereits Grablegungen und Urnenfelder, über die „fehlenden“ Keltengräber bis zu den christlichen Kirchhöfen. Die Nähe zu Gott wurde durch die Nähe der Totenfelder an der Kirche symbolisiert bis in der Aufklärung die Friedhöfe säkularisiert und an den Siedlungsrand gelegt wurden. Dass der Heimatbegriff häufig mit dem Grabkult zusammenhängt, wurde damit ebenso klar wie die Einzigartigkeit der menschlichen Begräbniswünsche.
Dipl. Soziologin Christine Droessler beendete den Vortragsabend mit ihren Berufserfahrungen als Bestatter in und der Frage: „wie viele Taschen hat das letzte Hemd?“. Zwischen Armutsbeerdigungen und Edelbestattungen öffnet sich ein weites Feld der Möglichkeiten die einerseits der Würde des Toten und andererseits dem Wunsch nach Gedenken der Überlebenden gerecht werden sollen. Viele Rituale ermöglichen den letzten Rechten der Toten und dem Trost der Angehörigen in einer zunehmend säkularen Welt gerecht zu werden. – von der inzwischen sehr üblichen Einäscherung bis zu Diamantbearbeitung.
Der Anlass für den Vortrag ist das Engagement des Vereins und der katholischen Kirchengemeinde für die Renovierung der vier historischen Grabstätten. Die stark verwitterten Grabkreuze an der St. Jakobuskirche wurden von den Besuchern mit einem stattlichen Betrag unterstützt.
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Vortragsteil von Dr. Sabine Laber-Szillat :
Sehr geehrte Damen und Herren
Vielen Dank für ihr Interesse an unser Thema, Der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim hat sich das Thema Tod vorgenommen, aus Anlass des 200j. Jubiläums des alten Friedhofs im Pfortenwingert und in Hinblick auf die akut renovierungsbedürftigen Steine an der St. Jakobuskirche. Denn so schwer wie der Begriff Heimat auch zu definieren sein mag: „bei den Gräbern der Ahnen“ ist für die meisten Menschen der fassbarer Begriff und als Geschichtsverein halten wir es deshalb für notwendig, diese Denkmale zu erhalten. Sie sehen hier noch auf dem Transparent, wie sie bis vor kurzem an der Mauer standen, zunehmend zerbröselnd. Sie sind inzwischen von einem Steinmetz abgeholt worden, und wenn wir sie wieder haben wollen, werden wir eine ordentliche Stange Geld auf den Tisch legen müssen. In diesem Sinn sammeln wir und bitten herzlich um ihre Spende am Ausgang.
Wir haben einige Experten zum ThemaTod zusammengetrommelt, und ich begrüsse hier sehr herzlich meine Mitreferenten. Frau Christine Droessler Herr Dr. Picard und besonders den Hausherrn Hr.Pf. Stickel.
Der Arzt und sein Gevatter
Als Ärztin erhält man eine Ausbildung, die einem „Herren über Leben und Tod“ machen soll. Ich erinnere mich an folgendes während meiner Ausbildung. Im 2. Semester schreit ein brüllender Pathologe auf die verängstige Studenten- Schar morgens um 8 Uhr ein: „dieser arme Mensch ist gestorben weil sich der Hausarzt zu fein war, seinen Finger in den After zu stecken und ihn ordentlich zu untersuchen“ und schmeisst das Corpus delicti, den Enddarm, tatsächlich uns an den Kopf. Also was erfuhr ich: Menschen sterben, weil Ärzte versagen.
Im nächsten Semester stand ich an meinem ersten Fall: eine 70jährige weibliche Leiche im Präp-Kurs. Es ist ein hartes Training, dass einem die normalen Ekel- Scham und Mitleidsgefühle austreibt und über das die Professoren mit Argus-Augen wachen. Ich erlebte als von meiner ersten Patientin der Kopf abgetrennt wurde, (den dann die Zahnärzte erhielten) und wir ihr dann die Haut abzogen. Danach lag eine entmenschlichter Mensch vor uns: ein Bewegungsapparat, ein Nervensystem, ein Knochengerüst…. Zwischendrin ein Heer an Prüfungen, Klausuren, Abfragen, Demütigungen.
So kommt es, dass sich der Arzt vor dem Tod fürchtet, vielleicht noch mehr als seine Patienten. Der Tod wird zum Feind eines Arztes. Dann Praktikum im Krankenhaus: ich vergesse nicht meine ersten drei Sterbefälle: noch heute erlebe ich es als Schweißbad.
So beschreibt es auch das Märchen vom Gevatter Tod sehr klug und fasst das Verhältnis von Arzt und Tod zusammen: Der Tod verschafft dem Arzt im Märchen seinen Beruf, er ist der Gevatter, der ihm Reichtum verspricht. Und dann spielen sie Katz und Maus, betricksen und betrügen sich, bis der Tod den Arzt selbst holt, da kreischt er winselnd.
Das ist auch der Tenor der durch die Presse geht: Arzt ist schuld. Also bemüht sich so ein Jungdoc nicht zu versagen und rennt und flitzt und tut und macht. Die zwei Menschen, die ich reanimierte und denen ich das Leben einige Jahre verlängerte, blieben sehr zum Entsetzen ihrer Angehörigen am Leben und leider stark verändert. So waren es denn auch die Pat. und die Familie, die mir langsam die schlimmste Angst vor dem Tod nahmen. Da gab es mal die kluge Unterscheidung zwischen Trauerfall und Sterbefall.
Warum und wann sterben wir?
Trotzdem bleibt an den Arzt die Frage „wie kann ich Leben verlängern“, sie wurde in der Chin. Medizin untersucht. Wir finden dort eine 6000 Jahre geschriebene Dokumentation auf der Suche nach dem ewigen, langen Leben, das zunächst von den durchaus grausamen und brutalen Kaiserdynastien und später von den genauso verängstigen Machthabern betrieben wurde. Sie sind mit riesigen Menschenversuchen dem nachgegangen. Jahrelang mussten ganze Täler bestimmte Einzelmaßnahmen durchführen: z.B. nur vegetarisch essen, oder sehr lang schlafen, mit viel Fleiß Leibesübungen machen, täglich baden, anhaltenden Sex praktizieren, Enthaltsamkeit üben usw. Es hat sich herausgestellt, dass all diese Maßnahmen allein auch keine Wirkung zeigen.
Zu Jesu Zeiten war die durchschnittliche Lebenserwartung etwa 25 J. in diese niedrige Zahl fließt die hohe Sgl. Sterblichkeit ein.
Wir wissen dass Pflege-Kinder im 18cent, zu 90% starben. Das ist nicht verwunderlich, denn sowie starb auch in guten Zeiten 1 von 3 Säuglingen.(Bild) Sie starben so häufig wie nur die 80jährigen Greise, sie wurden oft gar nicht gezählt. Mangelernährung, Infektionen, schlechtes Wasser- die gleichen Ursachen wie in den armen Ländern heute auch. [1]Nur die Hälfte erreichte das Reproduktionsalter. Die hohe Kindersterblichkeit konnte erst während der Industrialisierung gesenkt werden. Heute sterben von 1000 Säuglingen nur noch 3-4 im ersten Lebensjahr.
Korrespondierend mit der Säuglingssterblichkeit war das Risiko der Mütter im Wochenbett sehr hoch. Sie ist von 3 pro Tausend zu Beginn des letzten cent auf 1 pro 100.000 gefallen. Während der Besen der Hebamme, vielleicht auch als Symbol der notwendigen Reinlichkeit im Wöchnerinnenzimmer die Frau nicht sehr gut beschützte, wird heute dem Müttersterben durch eine breite Fürsorge und Mutterschutz Sorge getragen.
Die Sterblichkeit der unehelichen Mütter und Kinder war immer noch mal doppelt so hoch wie die der sozial eingebetteten.
Eine andere bedeutsame Ursache des Todes war Gewalt: Krieg, Überfälle, häufige Arbeitsunfälle, Verbrennungen, auch eingesetzt als drakonische Strafen. Es wurden ja nicht nur Kinder und Frauen verprügelt sondern alle Untergebene wurden geschunden
Damals wie heute sind aber die Gewalttätigkeiten zwischen Fremden eher ungewöhnlich. Wenn wir attackiert oder getötet werden, sind das heute mit über 80% die eigenen Leute, bei uns Frauen ist es mehr als 95% wahrscheinlich, das uns jemand tötet, den wir vorher gut, sehr gut kannten.
Viele ist bekannt, dass 1666 zwar die letzte Pestwelle durch Auheim gerollt ist, aber die erste lief bereits im 9. Jahrhundert mit einer Dezimierung auf 1 Drittel der Bevölkerung. Und was sie so alles Pest (Bild Pest) nannten, das ist nach unseren Begriffen gar nicht mehr recht zu fassen. Es gibt eine Bauch und eine Lungenform der Pest, die verschiedene Symptome machen: das geht alles durcheinander. Und so können wir nicht mehr unterscheiden, welche Epidemie durchgelaufen ist. Blattern (Bild Pocken) – der regionale Begriff war „Urschlechte“ – wird jede Krankheit benannt, die mit Fieber und starkem Hautausschlag einhergeht, also das können die Röteln, Masern, Typhus, Syphillis und ungarische Hauptkrankheit sein. Wenn man dann noch überlegt, dass wenig geschrieben und noch weniger diagnostiziert wurde, ist klar, dass ich ihnen heute Abend nur sehr wenige schlecht belegte Zahlen vorstellen kann. Erst seit es Nationalstaaten gibt, haben wir dann eine verlässliche Bevölkerungsstatistik. Am verlässlichsten sind die Erfassung von wehrfähigen Männern, Kommunionskindern, Zählung von Häusern und Erfassung der Zünfte, verzeihen sie mir also historische Ungenauigkeiten.
In Hanau sterben im Jahr ungefähr 1000, in Auheim ungefähr 100 Personen, davon nur noch ca. ein Halber durch äußere Einwirkung: Sturz, Unfall, Vergiftung usw.
35 Kranke sterben an Herz-Kreislauf oder Schlaganfall Problemen in einem Durchschnittsalter von 80J., 25 Menschen, die an Krebs litten sterben mit 75J.Dann folgen noch mal 5 Sterbefälle an Diabetes mellitus. und 5 an Lungenkrankheiten auch diese sterben Mitte siebzig. Ganz wenig, nur 1-2 sterben an Infektionen. Das ist die eigentliche medizinische Revolution: das war in der Menschheitsgeschichte bis zum Ende 2.Wk vollkommen anders. Damals waren die Infektionskrankheiten mit Abstand die Hauptkiller. Über die Pest habe ich schon gesprochen. Als Dr. Virchow den Kahlgrund in der Mitte des 19.cent inspizierte fand er alle Formen von Infektionen, besonders Durchfallerkrankungen, Würmer und Lungenaffektionen. Dazu ekelerregend viele Läuse, Flöhe und Wanze[2]n. Der Name Virchow ist ihnen sicher ein Begriff: er wird immer in Verbindung mit Tbc erwähnt, die ja auch in Grossauheim fürchterlich grassierte. Meinem Großvater starben zwei Frauen daran. Virchow definierte Tuberkulose als Hunger- und Armutskrankheit, führte sie zurück auf miserable Wohnverhältnisse, hatte er doch die Not in Schlesien und im Spessart studiert und gesehen, dass sich die Leute mit der Einführung von Suppenküchen und Waschpulver wieder erholten. Dann kommt aber der stille Dr. Robert Koch und bewies mit seinem Mikroskop, dass das gar nichts mit Armut und Hunger zu tun hatte sondern dass es einfach Bakterien waren. Diese Idee gefiel dem sparsamen Kaiser natürlich viel besser als das ganze sozialmedizinische Aufbegehren von Dr. Virchow. Wer hat Recht? Natürlich beide: die Not schwächt die Abwehr der Menschen, so dass die aggressiven Bakterien obsiegen.
Die alte und brutale Wahrheit von Dr. Virchow belegt, heißt: „Weil du arm bist musst du früher sterben“. Selbstverständlich hängt das Leben davon ab, wo man geboren wurde: in allen Ländern existiert ein großes Stadt- Landgefälle und ein sehr großer Unterschied, ob die Mutter gebildet ist oder nicht.
Um also die Frage zu beantworten, an was wir sterben: medizinisch gesehen, nicht am Alter, sondern immer an einer Krankheit. Der 90. Geburtstag ist kein Sterbegrund! Aber die Wahrscheinlichkeiten, dass sich dann der Tod eine Ursache sucht, wird höher.
Auf heute übertragen kann man sagen: der Stromverbrauch eines Hauses korreliert mit der Langlebigkeit. Seit die DDR eingemeindet wurde, haben sich die Überlebenszeiten der Männer dort um 6 Jahre gesteigert. Dabei war die DDR für sehr gute Ärzte berühmt. Aber es sind die anderen Faktoren. Die Lebensverlängerung kommt allen zugute, aber die Reichen profitieren deutlich mehr davon. Wir haben heute Unterschiede der Überlebenszeit von 5 Jahren zwischen den Habenden und den Habenichtsen. Dieser Faktor erklärt sich nicht nur über besseres Essen und besseres Wohnen sondern auch über die umfassendere Information und Anwendung von gesundheitlicher Fürsorge, Sport, Zahngesundheit, Sauberkeit usw., außerdem leben Verheiratete zwischen 3-5 Jahren länger als Singles. Und die Ärzte? Sie spielen eigentlich keine Rolle: Eine Statistik nach dem 2. Weltkrieg, wo es in Frankreich wesentlich mehr Ärzte gab als in Deutschland zeigt die Überlebensrate gleich groß.
Wir wissen als Ursachen der sinkenden Sterberate in unserem Land: Die[3] Sterblichkeit wird bestimmt durch genetische Faktoren – das ist Glück oder Pech - und soziale Verhaltensweisen, also die Kultur, in der wir leben. Steigerung der Nahrungsmittelproduktion, Revolution des Transportwesens,
Verbesserung der Hygiene (Abwasser, Müllabfuhr) Erhöhte Bildung, bessere Stellung von Kindern, Einführung der Impfungen als wesentlichen medizinischen Einfluss
Ein wesentlicher ärztlicher Beitrag zum Überleben der Menschen ist die Impfung.
Die Hanauer Grafen
Nun Tatsache ist, dass in der Seligenstädter Literatur[4] der Durchzug des Bluthustens – das ist entweder Keuchhusten oder Tbc alle 4-5 Jahre bekannt ist. Hanau beschrieb etwa alle fünf Jahre den Durchzug von Pocken mit hohen Kindersterblichkeiten. (Ich sehe aus wie "eine Schertenne, darin man Erbsen gedrochen " (Simplicius simplicissimus)
Etwa jedes siebte Kind starb („Kinderkrankheiten“ hinterlassen lebenslange Immunität, deshalb versterben im Normalfall keine Erwachsenen).
Deshalb rief die gräfliche Familie 1769 den engl. Impfarzt Arzt Dr. Baylies[5]. Er impft gegen Pocken ohne Kenntnis der bakteriellen Grundlagen. Er beschreibt das in allen Einzelheiten, wie er aus der Blatternbeule eines Infizierten mit dem kl. Messer Material entnahm und sie der gräflichen. Familie einritzte. (D.h. er arbeitete noch mit dem sehr gefährlichen menschlichem Pockenmaterial, erst einige Jahre später setzt sich der Engländer Dr. Jenner mit der Impfung von Kuhpocken durch. Es stützte sich die Beobachtung, dass Mägde und Hirten, die bereits Pusteln oder Narben von Kuhpocken an den Händen zeigten, niemals an Menschenpocken erkrankten.)
Prinzessin Luise und deren Kinder Wilhelm und Marie Friederike, und eine kleine Nichte zeigten erschreckend schwere Impfreaktionen aber ohne Sterbefälle.
Die Untersuchung der Hanauer Grafen ist interessant. die Sterblichkeit der Han. Grafen. Zw. Zeigt uns, dass 1368 und 1642 starb der Durchschnitt der Männer mit 42, der Frauen mit 53 Jahren starben.
Nur zwei Angehörige des Hauses sind in 300 J. an Infektionskrankheiten gestorben. Ich erinnere daran, dass ich eingangs beschrieb, dass die Kultur – also die Möglichkeiten sich vor Seuchen durch Übersiedlung oder Isolation zu schützen wirksamer ist, als ein Arzt.
Philipp Ludwig II. Gründer der Neustadt *1576 +1612 wird im Alter von 9 J von Dr. Berthold Rivius (Bach) aus Ffm untersucht: "Graf P.L. hat sonderlich einen blöden Miltzen, davon ihm dann zeitlich Hauptwehe bisweilen Herzpochen und Aufblehen der vorderen Leibs entstehen und herkomen wie auch die blöde Zähn und Zehnbeller und der starke Geruch des Mundes …... Daneben auch hitzige und schwache Nieren, derhalben er den Harn oftmals bisweilen ohnversehens und ohnwissend von sich lässt, insbesonderheit wenn er über sein Ordinarius getrunken. "[6]
Obwohl geschwächt liess man ihn heftig zur Ader , eine sehr anerkannte Heilmethode, er starb mit 36 J.
Moritz, dessen Sohn starb mit 33J, an der Verletzung des li Oberschenkels die 13 Jahre nicht verheilte! Er litt an einem schweren Sprachfehler, was beinahe die Audienz bei frz. König (Ludwig 13.) verhindert hätte, der auch schwer stotterte.
Über den Tod des letzten Grafen mit 9 J. schreibt Dr. „weil ihm die Nase "[7]mit schwerem schwarzen Blut überging" man hielt es für die Röteln. Zwischen 6-8 Uhr ist er verschieden". Erst um diese Zeit hatte der Hof einen Medicus, der natürlich mit dem Hof auf Reisen ging und in dieser Zeit den Bürgern nicht zur Verfügung stand.
So wissen wir von Hanauer Graf, dass er noch im 16 cent ohne Arzt verstarb. Vorher holen sich die Grafen bei einer Frau Arnoldin im Kloster Fulda…. und bei Jud Lazarus….. und bei dem Dergeant der Barfüsser in Frankfurt die notwendigen Behandlungen, die da waren: Steinschneiden, Steinschlingen, Wasser ansehen.
Die Geschichte der Ärzte
Mit der Neuzeit und erst im 16 cent kommen dann die Ärzte wieder zurück zuerst als Angestellte des Grafen die auf Wunsch und bei Bezahlung dem Adel und in den reichen Bürgern zur Verfügung standen.
Dann kam 1606 die Pest[8]- die Neustädter Händler hatten ja ständig Kontakt zur durchseuchten Stadt Frankfurt , und die bestellten sich einen eigenen Arzt , Dr. Matthäus[9] neben dem Arzt des Grafen, den Dr. Schiller. Was passiert wenn es zwei Ärzte gibt: Streit. Der eine will die Badehäuser öffnen, der andere schließen. Der Eine erlaubt den Angehörigen eines Pesthauses nach dem 10 Tag den Ausgang, der andere gar nicht. Es endet damit, dass Dr. Matthäus abwandert an die Uni Herborn, wo es im ganzen Westerwald überhaupt keinen Arzt gibt.
In den alten Kulturen hatten Heiler normalerweise ein hohes Ansehen. Die ersten Klöster brachten die überlieferten mediz. Erkenntnisse mit erwarben sich so hohes Ansehen. Aber dann verbot die Kirche im 12.-13.jhd. die Ausübung der Medizin durch die Klöster. Weil der Arzt sich nicht einfach Gottes Wille fügt, sondern sich dem Krankheitsschicksal widersetzt. Auch heute noch erlebe ich, dass die muslimischen Patienten fragen, ob eine Behandlung gottgefällig ist oder nicht. Ich finde das eine schwierige Frage, ob Gott, der eine Krankheit schickt will, dass man sie behandelt? Kommt auf den Gott an, oder? Obwohl einzelne Mönche durchaus weitermachten, verschwand die Medizin von den Universitäten. Sie blieb sehr wenigen herumreisenden studierten Medici oder Physici überlassen. Dort ist auch beschrieben, dass Hanau erst ab der Neuzeit, also nach dem Einzug der Calvinisten, Ärzte hatte, die haben offensichtlich keine Angst mehr vor der Kirche .
Die normale Behandlung in den Städten übernahmen die Bader, also die Besitzer der Badehäuser, die machten Packungen, Massagen, schrubbten die Läuse und Flöhe weg, wuschen den Kopfgrind und renkten die Gelenke ein.
Hatte man Beulen, große Blutergüsse, eingespleisste Fremdkörper oder offene Wunden ging man zum Barbier. Der war der Herr der Messer und schnitt nicht nur Haare sondern alles, auch die Pestbeulen. Das war durchaus schwierig, die Zünfte dazu zu verpflichten, jedenfalls gibt es in Hanau und Seligenstadt[10] entsprechende Beschwerden. Aus den Barbieren gingen dann auch die messerkundigen Feldscher hervor, die bei guten Zeiten die Perücken der Offiziere und in schlechten Zeiten die Schusswunden der Soldaten behandelten. Und in Auheim? Manche Mönche, Nonnen und Priester hatten einen kleinen Wissensschatz. Vielleicht kam mal ein Zahnbrecher, Quaksalber, ein Augenstecher oder Steinschneider mit dem fahrenden Volk vorbei. Sie erinnern sich sicher an den wunderbaren Roman „der Medicus“, wo es beschreiben ist, aber die zogen natürlich auf die Marktplätze, d.h. Steinheim oder Hanau. Aber im Großen und Ganzen waren die Leute auf sich selbst angewiesen.
Apropos Quaksalber: 1231 erließ der Staufen Kaiser Friedrich II[11]. eine Medizinalordnung. Sie ist die Rechtsgrundlage für die Trennung der Berufe Arzt und Apotheker. (Die Apotheker stellten neben oral zu gebenden Arzneimittelzubereitungen wie Säfte, Tinkturen und Pillen („Pillendreher“) auch Salben und Pflaster zur äußerlichen Anwendung her. ) Aber alle hatten einen sehr schlechten Ruf, aber es gab ja keine Konkurrenz. Studiert waren wenige jüdische Ärzte – die durften nämlich behandelt, weil die kamen sowieso in die Hölle – waren an den Höfen angesiedelt. Das medizinische Wissen entfaltete sich zu dieser Zeit in Arabien, man denke an den genialen Avicenna, der bereits um 1000 die Blinddarm-OP und den Kehlkopfschnitt erfand.
Als im 17.cent die schrecklichen großen Epidemien aufhören, hinterlassen sie ein System von Pflegeeinrichtungen. In der Pestzeit waren in den Klöstern, oft unter den Beginen Hospitäler entstanden, vorwiegend für Kranke, aber auch arme Durchreisende. Die Städte hatten zusätzlich „Gut-Leut-Häuser“. GuteLeute waren Aussätzige, Sieche und Blöde. So entstand z.B. das „Althanauer Hospital“ das 1330 gegründet wurde und bis in den 2. WK in der Hospitalstrasse ansässig war. (Diese 600 j alte Institution baut jetzt die ev. Schule in 63457 Hanau-Großauheim um in ein Seniorenhaus .) Es lebte sich schlecht in diesen Häusern und es gibt zahlreiche Berichte aus Hanau. Aber – in Großauheim gab es nicht mal so ein schlechtes Haus!
Wir erfahren, dass im späten 18. und frühen 19. Jh. die ärztliche Versorgung der Auheimer im kurmainzischen und 1803-1816 hessen-darmstädtischen Amt Steinheim, zu dem Auheim gehörte, stattfand.1796 hieß der Amtschirurg Weinhäuser. Er versorgte einen von den Franzosen malträtierten Auheimer und stellte das in Rechnung. Als Auheim ab 1816 bei Hessen-Kassel war, bestand eine ähnliche Struktur. Der Ort gehörte zum Amt Bücherthal, in dem 1820 und noch 1842 wirkten der Amtsphysikus Hofrat Dr. Schunk und der Wundarzt Heinrich Wichmann; beide saßen in Hanau. 1854 sind als Physikus Dr. Friedrich Gies und als Wundarzt Heinrich Wilhelm Randel bezeugt.
Ab den Bismarkschen Sozialreformen wirkten dann in Großauheim Sanitätsrat Karl Kihn
ab 1880-
Es folgten dann die Kollegen Freisfeld, der das rote Kreuz hier gründete, der jüdische Dr. Rotschild, den die Nazis verjagten, den sozial engagierten Dr. Weissmüller während des 1. und 2. WK
Danach kamen die uns bekannten Ärzte Helsper, Schäffer, Zintl, Hildebrandt und Hensel Dierbach, Dinkelmann
Die Ärztinnen Freisfeld, Honak, Laber-Szillat, Spyra-Warzechewa,
Jetzt praktizieren in der Allgemeinmedizin die 10 Kollegen Busch, Bump, Dawahn, Herr und Frau Kohlhas Kresovic, Lurg, Orban, Porsch, Schöfer,
Wie stirbt man?
Wie die meisten wissen, praktizierte ich 10 j. als Hausärztin, in dieser Zeit habe ich mit Sterbenden in verschiedener Form gelebt. Das gruseligste waren für mich die Suizide, das Abschneiden vom Gebälk, die aufgebahrte Leiche einer schönen jungen Frau zwischen 4 Kerzenständern im Brautkleid, das Einsammeln einer Wasserleiche. Die waren neben den Verkehrsunfällen und einem plötzlichen Kindstod die spektakulärsten.
Aber sehr viel häufiger kam der Tod am Ende einer Leidensgeschichte oder eines erfüllten Lebens, dann auch oft als Freund, nicht abgelehnt. Regelhaft in den Wohnhäusern, in ihren Betten, in denen sie geliebt, gelacht und gezeugt hatten, unter den Bildern, mit denen sie ihren intimsten Raum schmückten, in der Nähe ihrer Verwandtschaft. Es war dann immer hilfreich, wenn der Sterbende einen festen Glauben hatte , der musste nicht mal religiös sein, auch wenn er an etwas anderes glaubte „die Zukunft die Familie “ starben die Leute deutlich leichter als die Ungläubigen.
Hilfreich war auch, wenn es klar verabredete Zeichen gab, z.B. die letzte Ölung, die ich hier bewusst mit dem alten Begriff nenne. Ein anderes Zeichen wurde in meiner Familie erzählt: Als die Uroma wochenlang gepflegt worden war, schickte eines Tages die Vinzenz-oberin nicht mehr die normale Krankenschwester zur häusl. Pflege vorbei sondern die Schwester Domitilla. Als die Uroma sie sah, schrie sie entsetzt aus: „wenn die Dumdilla kommt, kommt der Tod“. Offensichtlich wurde diese etwas dümmliche Schwester für die letzten Stunden des Sterbens und die langen Wachen leichter entbehrt als die tüchtigen Pflegerinnen.
Auch ich habe die langen Wachen und die letzten Minuten eines Lebens etwa 40 mal erlebt. In der Regel eher befreiend erlebt, nach all den Qualen, die vorangegangen waren. Die Sterbesituationen lassen sich nicht vereinheitlichen, die Situation sind so individuell wie das leben. Aber ich habe aber den deutlichen Eindruck, dass ein klarer Wille, wann und wie man sterben will, und deutliche Zeichen – z.B. die letzte Ölung hilft. Oft warten Leute noch einen Angehörigen oder flüchten vor einem Umzug. Das gelingt häufig. Deshalb hat man den Eindruck, dass der Tod so nicht vermeidbar aber doch in Nuancen beinflussbar ist.
Ich erinnere mich, dass ich mal in der Hektik, den der Jahreswechsel mit sich bringt in die Volksbank gestürzt bin, den Kopf mit Kram, da standen die Sternsinger mit ihrer Dose in der Hand vor mir. Ich habe schnell einen Schein reingesteckt und wollte weiter, da fangen die an zu singen. Und enden mit dem Satz “und wünschen dir einen guten Tod“! Mich hat fast der Schlag getroffen. Denn heißt es nicht Gedenke des Todes, damit du klug wirst? Ja, was ist ein guter Tod, vielleicht so wie mein Opa der einfach sagte, :“ich bin satt!“ und damit das 97 jährige Leben meinte?
Die berühmten letzten Sätze beziehen sich in der Regel auf Banalitäten: Licht an, Tür zu, sag dem… Aber die Gespräche mit den Sterbenden stellen sich meist heraus, dass Menschen sehr das bereuen, was sie nicht getan haben, selten mit den Fehlern hadern.
Wie wollen wir sterben, dazu gibt es inzwischen hier und da und dort Kurse, Sterbehilfe und Wohnungsangebote. Sicher eine wichtige Frage, aber dem setze ich voraus; die meisten Menschen wissen nicht mal, wie sie leben wollen…..
Heute sterben 50% in Krankenhäusern, 10-15% in Pflegeeinrichtungen und Palliativstationen, was sicher auch eine gute Alternative ist, immerhin sterben noch rund 30% zu Hause. Mit fallender Tendenz. Dabei fällt die Familie die Entscheidung, wie man sich im Fall der Krankheit und des Todes verhält, zu einem großen Teil nach der Rolle und der Stellung der Person innerhalb der Familie. Je wertvoller ein Mensch ist – das betrifft Reichtum, Arbeitsleistungen, Dienste, Sicherheiten und auch Emotionen, Liebe, Werte, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er zu Hause stirbt. [12]
Todesdefinition
Damit stellt sich die Frage, wann ist jemand tot? Tatsächlich ist das nicht auf die Minute festzulegen und dauert relativ lange, wenn man sich nicht auf die EEG-Nulllinien stützen kann. Wenn der Puls nicht mehr zu fühlen und die Atmung nicht mehr wahrnehmbar ist, dann kann sicher noch das Gehirn eine ganze Weile weiterarbeiten. Es ist so ähnlich wie bei einer Geburt, zwischen dem Herauskommen des Scheitels und dem Abbinden der Schnur vergehen einige Minuten. Deshalb ist es sicher sinnvoll, ein wenig zu warten. Bis die sicheren Todeszeichen eintreten: Flecken, Kälte vergeht ungefähr eine halbe Stunden, Leichenstarre tritt nach ca. 2 Std ein. Ich glaube, dass es ein sehr viel langsamerer Prozess ist, als allgemein angenommen wird.
Danach erstellt der Arzt heute den Leichenschauschein, erst danach gilt jemand als tot. Das ist so seit dem 2. WK so. Davor war auch eine gerichtliche Leichenschau möglich, die wurde im 12. Jhd vom Papst[13] so eingeführt und heute gibt es vor der Verbrennung eine weitere Schau vom Amtsarzt. Die Leute wundern sich in der Regel, dass dieses Dokument nicht von der KK bezahlt wird, aber die zahlt tatsächlich nur bis zum Tod. Durch ein Kreuz bestimmt der Arzt vor allem, ob er es für eine natürliche oder nicht natürliche Ursache hält und gibt damit entweder den Toten frei oder ruft die Ermittlungsstellen auf den Plan.
Der bereits erwähnte Dr. Virchow schafft auch in Berlin das erste kommunale Krankenhaus und gilt als Schöpfer der modernen Pathologie. Während Leichenöffnungen im Mittelalter vollkommen untersagt waren, wissen wir, dass zu Beginn der Neuzeit neugierige Nasen wie Leonardo da Vinci Leichen stehlen, um Kunstübungen dran zu machen. Diese Störung der Totenruhe – eine Obduktion ist nämlich weder eine Sachbeschädigung noch eine Körperverletzung - wird in Deutschland viel selten als in den Nachbarländern durchgeführt. (Österreich bei allen im Krankenhaus Verstorbenen). Sie ist das Gebiet der Anatomen (Lehre, Forschung des Gesunden), Pathologen (Krankheitslehre) und Gerichtsmediziner (suchen Beweise). Neben den gerichtsmedizinischen Aspekten dient sie heute vor allem der Qualitätssicherung der Medizin und auch der Lehre. Nun sagen uns die Statistiken, dass die Ärzte die Leichenschau schlecht machen und deshalb viele unnatürliche Tode übersehen werden, ich bezweifele das, als Hausarzt kannte man die Pat. doch und hat sie monatelang betreut.
Die Leidtragenden sind heute nur noch zu einem viertel[14] beim Tod des Angehörigen dabei, ein wirklicher Verlust! Ich glaube, daß man wirklich sehr anders von einem Sterbebett aufsteht, als man sich hinsetzt. Noch schwieriger finde ich, dass Kindern der Zugang zur Beerdigung und zum Grab verweigert wird. Gerade in der PT-Arbeit ist der Umgang mit Abschied so entscheidend und notwendig.
Die Macht der Toten
Worüber noch zu sprechen wäre ist die Macht der Toten über die Lebenden. Wenn dem Prinz Hamlet sein Vater erscheint, dann ist das etwas, was uns allen alltäglich passiert und das wir in der Psychologie „innere Objekte“ nennen. Wer einen geliebten Menschen verlor, wird täglich viele male innerlich mit ihm kommunizieren, weniger geliebten Menschen wird man innerlich trotzig widersprechen, sich in Opposition bewegen. Auf jeden Fall erfüllen wir alle Aufträge von Verstorbenen, ob wir ihre Einstellungen und Häuser hüten oder ihnen ewig beweisen, dass sie unrecht hatte, binden sie uns in mächtigem Bann. Wenn ich früher lachte über den Ahnenkult in Asien, so bin ich doch heute als Psychotherapeut sozusagen einer ihrer Handelnden, denn Sigmund Freund lehrt uns, wie mächtig die Eltern, Erzieher, die Umwelt und die ganzen anderen Toten uns bis zum Ende unserer Tage manipulieren und beherrschen.
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„Sippenbuch der Stadt und Zent Seligenstadt“ Bd 1 und 2 Dr. Ludwig Seibert Verlag Gustav Sprey jr. 1934
„Geschichte der Seuchen zur Zeit des dreissigjährigen Krieges“ Dr. Gottfried Lammert,1889, Reprint Bergmann-Verlag
„Die Noth im Spessart“ Dr. Rud. Virchow Verlag der Stahel`schen Buchhandlung 1852, Reprint 1998 Verlag Obensien
„Lebensdauer und Todesursachen der Hanauer Grafen in den Jahren 1368-1642“ Dr. Bernges
„Über Dr. Med. Johannes Matthäus und eine Tätigkeit als Pestarzt in Hanau 1606-1607“ Dr. phil. Johannes Koltermann, Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und Naturwisschenaft hrs. Von Bunr und Zanick 1942
„Beitrage zur Geschichte des Gesundheitswesens in Hanau von 1600-1800“ von Rudolf Bernges
[1] (Höhn 2000)
[3] Hauser (1983) zusammengefasst (in Q3 S139):
[4] Seibert
[5] Bernge S.92
[6] Bernges
[7] Bernge Zeitungsartikel
[8] Lammert S. 200
[9] Koltermann
[10][10] Seibert
[11] Wikipedia
[12] Hauser 1983 S. 168
[13] Wikipedia
[14] Hüddel Arbeit