90 Jahre Hanauer Hafen – ein langer Nervenkrieg zwischen Hanau und Großauheim ging dem Bau voraus
Der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim hatte zu diesem Vortrag am 17. April in der Alten Schule eingeladen. Der Historiker Erhard Bus stellte den etwa 50 Anwesenden in einem überaus informativen Vortrag mit sehr interessantem Bildmaterial die wichtigsten Probleme des Hafenbaus vor und er bot in einem Rückblick auf die lange Binnenschifffahrtsgeschichte Hanaus, die nicht erst 1924 begann.
Bereits um 1600 wurde ein künstliches Hafenbecken mit Verbindung zum Main geplant und realisiert. Die Umlegung der Kinzigmündung, der Durchstich bis in die Neustadt, ermöglichte die Anlage eines Hafenbeckens in der Neustadt, das jedoch schon wenige Jahrzehnte wieder zugeschüttet wurde. Fortan brachte über Jahrhunderte das Marktschiff die Waren von Neu-Hanau nach Frankfurt oder umgekehrt.
Nachdem Oberbürgermeister Dr. Eugen Gebeschus in Verbindung mit der Industrie- und Handelskammer im Rahmen der fortschreitenden Industrialisierung für Hanau und sein Umland einen modernen Hafen planten, sollten diese Überlegungen zügig realisiert werden. Doch Einsprüche und Abänderungswünsche von Behörden, Ministerien und Einzelpersonen verzögerten den Baubeginn immer wieder. Eine besondere Rolle spielten dabei die Großauheimer, denn Hanau besaß gar kein geeignetes Gelände für die Anlage eines Hafens mit entsprechendem Areal für Industrieansiedlungen. Die Großauheimer hingegen besaßen das benötigte Areal, wollten dies aber nicht so einfach hergeben. Nicht allein die Kostenfrage spielte eine Rolle, vielmehr lag die Befürchtung darin, dass viel Acker- und Gartenland verloren ging, größere Schäden durch Überschwemmungen entstehen könnten und durch die Industrialisierung sahen viele Großauheimer Bauern ihre Existenz gefährdet.
Von Seiten Hanaus, die das entsprechende Gelände zuerst eingemeinden wollten, warf man Großauheim Hinhaltetaktik vor, die das Bauvorhaben immer weiter hinauszögerten. Die Differenzen zwischen dem Hanauer OB Dr. Eugen Gebeschus und dem Großauheimer Bürgermeister Otto Grün waren unüberwindbar. In einem Schreiben an den Regierungspräsidenten in Kassel schilderte 1912 Dr. Gebeschus seine Gemütsverfassungen mit folgenden Worten: „Das Mainhafenprojekt wächst sich allmählich zu einem Ungeheuer aus, das mich zu verschlingen droht.“ Schließlich unterschrieb im Jahre 1913 Kaiser Wilhelm II. einen Erlass, dass die Eigentümer der Grundstücke enteignet werden können und somit das Gelände nach Hanau eingemeindet werden kann. Doch die Forderungen der Parzellenbesitzer erwiesen sich als zu hoch, sodass das Hanauer Stadtparlament das Vorhaben im Frühjahr 1914 vorerst ad acta legte.
Erst 1921, unter Oberbürgermeister Dr. Kurt Blaum, konnte mit dem Bau begonnen werden. 147 Großauheimer und 11 Hanauer Grundbesitzer wurden enteignet und erhielten eine Entschädigung, die, da nicht in Gold sondern in Mark ausgezahlt wurde, aufgrund der Inflation weitgehend wieder verloren ging. Durch den Bau des neuen Hafens fanden Hunderte von Arbeitslosen samt ihrer Familien für Jahre Arbeit und Brot. Im Oktober 1924 war es dann soweit: Hanau hatte einen modernen Hafen, der bis heute einen wichtigen Standortvorteil darstellt. Die im Hafengebiet angesiedelten Unternehmen bieten heute rund 1000 Arbeitsplätze und die aus dem Hafenbetrieb erwirtschafteten Einnahmen entlasten die Stadtkasse.