Vortrag von Wolfgang Hombach „Zwischen Liebesgaben und Nahrungsmangel“ Großauheim im 1. Weltkrieg.

Der Vortragsabend des Großauheimer Heimat- und Geschichtsvereins „Zwischen Liebesgaben und Nahrungsmangel“ bot Gelegenheit die schwierige Situation der Großauheimer Bevölkerung in der Zeit des 1. Weltkrieges nachzuvollziehen. Geschichtsvereinsmitglied Wolfgang J. Hombach zeigte an zahlreichen bewegenden Einzelschicksalen, welche Auswirkung der Krieg auf die 7.000 Einwohner des Ortes hatte.

Mitte September 1914 berichtete der Großauheimer Bürgermeister Otto Grün dem Königlichen Landratsamt Hanau über die Reaktion der Einwohner auf die kriegsbedingten Unterstützungsmaßnahmen der Gemeinde „Die Stimmung in hiesiger Gemeinde ist bis jetzt gut“. Trotzdem, dass es keine Einquartierungen zu Beginn des Krieges gab und die Zahl der Arbeitslosen auch wegen der großen Kriegsindustrie (kgl. Pulverfabrik, Marienhütte, FRAMAG-Frankfurter Maschinen AG-) gering blieb, wich die teilweise vorhandene anfängliche Begeisterung schnell. Auch eine große Protestversammlung der SPD einen Tag nach dem Mobilmachungsbefehl in der Großauheimer Gaststätte „Rose“ machte deutlich, dass es mit „Begeisterung in aller Herzen“ nicht allzu weit her war.

Um die wirtschaftlichen Folgen des Krieges für Familien zu lindern, die kein geregeltes Einkommen mehr hatten, weil die Männer zum Heer eingezogen oder wegen der Schließung ihrer Betriebe arbeitslos wurden, organisierte die Gemeinde zwar großzügig, aber alle Sammlungen von Liebesgaben und Spenden, die während des ganzen Krieges festzustellen war, konnten nicht über die wachsende Not hinwegtäuschen. Auf den Schlachtfeldern des Weltkrieges ereignete sich ein nie gekanntes Massensterben. Gleichzeitig fand in der Heimat ein anderer Kampf statt: um das tägliche Brot und gegen den Hunger, aber auch gegen die Bürokratie. Obwohl viele Großauheimer ihr Gemüse und ihre Kartoffel selber anbauten und eine große Menge an Hühner, Schweinen etc. hielten, war das tägliche Leben zunehmend von Engpässen bei der Lebensmittelversorgung geprägt. Verordnungen in Hülle und Fülle, Rationierung und Einführung von Marken konnten den Mangel nicht beheben. Die Bäcker wurden für die schlechte Qualität des „K“-Brotes (Streckung des Brotes mit Kartoffeln) verantwortlich gemacht. Großauheimer Bäcker standen wegen Verstöße gegen die vielfältigen Vorschriften häufig vor Hanauer Gerichten. Als Folge des Krieges starben in Deutschland über 700.000 Zivilpersonen an Unterernährung.

Das tägliche Leben in Großauheim veränderte sich mit der Zeit dramatisch. Verdoppelung der Preise von Grundnahrungsmittel, die Einrichtung und der Betrieb eines Reservelazaretts, die Versorgung der Kriegsinvaliden, die Arbeit vieler Frauen in den Munitionsbetrieben, die langen Schlangen vor den Geschäften und der tägliche Aufmarsch der russischen und französischen Kriegsgefangenen, von denen es in den Jahren ab 1916 rund 60 in Großauheim gab, hatten großen Anteil an dieser Veränderung.

Auch die Schulen wurden in den Kriegsprozess eingebunden. Die Schüler wurden zum Sammeln von Geld, Naturalien und Rohstoffen angehalten. Bei guten Sammelergebnissen gab es schulfrei und  wenn militärische Siege zu verzeichnen waren.

Von der Gemeinde Großauheim erwartet der damalige Landrat, sich an Kriegsanleihen zu beteiligen. Trotz der vielfältigen finanziellen Belastung durch Unterstützungsleistungen zeichnete die Gemeinde, mit geliehenem Geld, Kriegsanleihen in Höhe von 1,4 Millionen Mark. Als der Krieg endete, war die Gemeinde in großen Zahlungsschwierigkeiten. 170 Männer waren gefallen und zu Beginn des Jahres 1919 entließ die Pulverfabrik fast die gesamte Belegschaft von 5.000 Personen, wovon viele Großauheimer betroffenen waren.  

Durch die Vernichtung der Bestände des „Großauheimer Anzeigers“ sind wertvolle Informationen verloren gegangen. Dennoch finden sich genügend Dokumente in den Archiven aus der Zeit von 1914 – 1918, die erkennen lassen, unter welchen Bedingungen die Großauheimer Zivilbevölkerung tagtäglich lebte, welche sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krieg für die Gemeinde hatte und die Sorgen und Nöten eindrücklich beschreiben und erahnen lassen.

www.grossauheimer-geschichtsverein.de