Sechs bekannte Großauheimer

Mathilde Hain: die erste Professorin

Jean Weiss: der Radsportler

Dr. Karl Kihn: der Spessartvater

August Gaul: der Bildhauer der Moderne

August Peukert: ein vielseitiger Maler und Glasgestalter

Leopoldo Richter: ein berühmter Kolumbianer

Wer schon einmal mit dem Heimat- und Geschichtsverein Großauheim eine Altstadtführung erlebt hat, kennt das Geburtshaus von Mathilde Hain in der Hintergasse 20. Sie wurde 1901 als Bauerntochter von Ernst und Mina Hain geboren. Eine Ausbildung konnte sie, wie damals üblich, nicht zu Hause machen sondern kam als junges Mädchen nach Eichfeld um hier ein bezahlbares Studium zu absolvieren. Die begabte Mathilde wurde zunächst Lehrerin an der Großauheimer Schwesternschule St. Josef und schloss danach ein Germanistikstudium in Frankfurt mit Promotion ab. Sie wagte sich an eine wissenschaftliche Karriere in Volkskunde und widmete sich auf diesem Gebiet dem ländlichen Kultur- und Trachtenwesen. An der Berliner Universität wurde ihr ein  Forschungsauftrag, aufgrund ihrer Arbeit in Feldforschung im Zusammenhang zwischen Gemeinschaft und Tracht, erteilt. Nazis in ihrer Frauenfeindlichkeit machten ihr das Leben sehr schwer,  verhinderten ihre Habilitation immer und setzten gegen den Entschluss der Universität immer wieder Männer ein. Kurz vor Kriegsende habilitierte sie und wurde 1953 an der Frankfurter Universität Professorin. Die erste Professorin Hessens! Ein kleines Bauernmädchen aus Großauheim hat es geschafft in dieses männliche Refugium einzubrechen. Sie leitete das Institut für Deutsche Volkskunde und forschte, lehrte und schrieb über Bräuche, Volkserzählungen, Volksfrömmigkeit und Sagen. Sie war eine Meisterin ihres Faches. 1956 gab sie zum 1150jährigen Jubiläum die erste Großauheimer Ortsgeschichte heraus. 1983 starb Mathilde Hain in Bad Soden im Taunus und wurde auf dem Waldfriedhof in Großauheim bestattet. 

 

Ein über die Grenzen Großauheims hinaus bekannter Künstler, ist der Tierbildhauer August Gaul. Geboren 1869 als Sohn des Steinmetzes Philipp Gaul und dessen Ehefrau Katharina in der Haggasse 12a. Die meisten Großauheimer kennen August Gaul, denn seine Tierplastiken haben eine eigene Ausstellung im Großauheimer Museum, am Pfortenwingert. Seine Löwin bildet das Glanzstück dieser Ausstellung. Die Pinquingruppe ziert heute den Brunnen im Park vor dem neuerrichteten Pflegeheim an der Hauptstraße und ganz besonders waren seine Entchen, die sich auf dem Rochusplatz befanden, den Auheimern ans Herz gewachsen. Seine Kindheit und Jugend verlebte August Gaul in dem heute nicht mehr vorhandenen Vorgänger des Gasthauses Ratskeller Krotzenburger Straße 6. An der Hanauer Zeichenakademie wurde Gaul zum Ziseleur und Modelleur ausgebildet. 1888 ging er schon als Jugendlicher nach Berlin und dort zur kaiserlichen Zeit, traf seine Art der Tierbildhauerei, zwischen natürlicher Darstellung und Abstraktion, den damaligen Modegeschmack. Er wurde der Bildhauer des Kaisers; wenn ein dekorativer Löwe unter des Kaisers Ross lag, dann konnte man davon ausgehen, daß er von August Gaul war. Außerdem gestaltete er ausdrucksscharf und in die Zukunft weisend den menschlichen Körper, schuf Zeichnungen für Graphikmappen und Buchillustrationen. Gaul gilt als der erste moderne Bildhauer in Deutschland und einziger deutscher Tierplastiker von Rang. Weggefährte waren in Berlin u.a. Heinrich Zille und Max Liebermann. Im Jahre 1921 starb August Gaul und wurde in Berlin-Dahlem beigesetzt. Seit 1969 ist die höchste kulturelle Auszeichnung die Ehrenplakette der Stadt Großauheim nach ihm benannt; sie wurde 1974 von der Stadt Hanau übernommen.

 

Kehren wir wieder in die Hintergasse zurück. Gegenüber dem Geburtshaus von Mathilde Hain befindet sich das Geburtshaus von August Peukert in der Hintergasse 23. 1912, noch in der Kaiserzeit, wurde August Peukert als Sohn des Wagnermeisters Emil Peukert und seiner Frau Elise geboren. Nach seinem Studium an der Zeichenakademie und der Zeichenlehrertätigkeit an der Mädchenrealschule St. Josef in Großauheim, wirkte August Peukert als freier Graphiker und Maler. Sein Atelier befand sich anfangs noch in seinem Geburtshaus, bis er 1962 seinen Wirkungskreis in die Goethestraße 20 verlegte. Besonders wurden seine Graphiken, Kohlezeichnungen und Gemälde von Landschaften, Stillleben, Porträts, Arbeitsszenen und christliche Motive geschätzt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich sein Stil von realistisch über lyrisch impressionistisch zu expressionistischer Art und zeigt auch abstrahierende Züge. Im 2. Weltkrieg war er in Norwegen stationiert.  Danach begann er sich sehr stark der Glasmalerei und der Gestaltung von Farbglasfenster zu widmen. Viele Kirchen, Schulen und Krankenhäuser in und um Großauheim, Hanau bis nach Fulda hat er ausgestattet. Farbenfrohe Mosaiken und Sgraffis an und in Großauheimer Häusern und Gebäuden wurden von ihm geschaffen. Im Museum am Pfortenwingert, sind seine Werke in einer eigenen Ausstellung zu sehen. Im Jahre 1986 starb August Peukert und wurde auf dem Waldfriedhof begraben. 

 

Ein bedeutender Großauheimer, zwar nicht von Großauheim stammend, war Dr. Karl Kihn. 1854 wurde er als Sohn eines Mühlenbesitzers in Michelbach geboren. Nach seinem Studium in Würzburg kam er 1880 als erster studierter Arzt nach Großauheim. Vor ihm gab es im Ort keinen Arzt; die Kranken damals mussten zu einem „Armenarzt“ nach Hanau oder Steinheim gehen.  Der junge Karl Kihn heiratete die Tochter des Bürgermeisters Kronenberger, Hermine. Dieser schenkte dem jungen Paar das schöne Haus in der Taubengasse 6. Auf dessen Giebel man heute noch eingeschnitzt das „K und K“ sehen kann. Dank der Bismark‘schen Sozialreform konnte der junge Arzt von seinem Beruf leben. Er war am Ort sehr beliebt. Seine eigentliche Berühmtheit erhielt er als Spessartvater und –forscher. Er ließ Wanderwege anlegen, um der dramatischen Armut der Bevölkerung in Mömbris, Laufen und anderen Spessartdörfer beizukommen. Diese ermöglichten den armen Wanderarbeiter halbwegs sicher zur aufkeimenden Industrie nach Großauheim und Hanau zu kommen. Außerdem waren er und sein Vater maßgeblich an dem Bau der „Bembel“ der Spessartbahn beteiligt. Unermüdlich schrieb er eine Menge Wanderführer u.a. „Führer durchs Freigericht und seine Umgebung“ und förderte damit auch den Tourismus. 1876 regte er die Gründung des Freigerichter Bundes an; eines Vorläufer des heutigen Spessartbundes. 1807 zog Karl Kihn nach Aschaffenburg und stand einem weiteren Vorgänger, dem Verein der Spessartfreunde Aschaffenburg, von 1900 – 1924 vor. Ein unermüdlicher Mann in Sachen „Wanderfreunde“. Nach seinem Tod 1934 wurde er auf dem Großauheimer Alten Friedhof bestattet. Auf seinem Grabmal ist ein Relief des „Barmherzigen Samariters“ zu sehen. Um dieses Relief vor dem Verfall zu retten, haben die Wanderfreunde Großauheim, mit Unterstützung des Heimat- und Geschichtsvereins Großauheim angeregt, dies zu restaurieren; was auch bereits vorgenommen wird.     

   

 

Johann August „Jean“ Weiss (* 1. November 1890 in Großauheim bei Hanau; † 21. Januar 1978 ebenda) war ein deutscher Radrennfahrer.

Jean Weiss war Radprofi von 1909 bis 1927 und gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu den besten deutschen Radprofis auf der Bahn. 1919 und 1921 wurde er Zweiter der Deutschen Steher-Meisterschaft, 1920 Dritter. Das Goldene Rad von Erfurt gewann er 1912, das Goldene Rad von Berlin 1922 und 1923. Er startete als Werksfahrer für das nahegelegene Opel-Werk, das ihn vertraglich dazu verpflichtete „[…] während der Dauer dieser Vereinbarung einen ordentlichen Lebenswandel zu führen und stets einzutreten für das Renommee der Firma Adam Opel in Rüsselsheim“.[1]

Weiss war gelernter Dreher. Nach Beendigung seiner Radsport-Karriere blieb er dem Opel-Werk verbunden und eröffnete in seinem Heimatort Großauheim als Opel-Händler einen Auto-Handel mit Werkstatt.

(aus Wikipedia)

 

Leopoldo Richter (* 14. Februar 1896 in Großauheim, Hanau, als Leopold Richter; † 22. Februar 1984 in Bogotá) war ein deutscher in Kolumbien ansässiger Keramiker, Entomologe und ein bedeutender Künstler Kolumbiens im 20. Jahrhundert.

Leben

Während seiner Kindheit lebte Leopoldo Richter in der kleinen Stadt Lahr. Hier wurde vermutlich sein großes Interesse an Pflanzen und vor allem Insekten geweckt, da Lahr in unmittelbarer Nähe des Schwarzwaldes liegt und der junge Leopold Richter viele Spaziergänge in den Wald unternahm.

Im Jahr 1914, als er 18 Jahre alt war, begann der Erste Weltkrieg. Wie alle anderen seines Alters musste er in den Krieg ziehen. Während eines Gefechts (vermutlich die Schlacht an der Somme) wurde seine linke Hand schwer verletzt. Wegen seiner Verletzung wurde er 1916 zurück nach Deutschland geschickt und musste dort von 1917 bis 1918 bei der Junkers-Flugzeugfabrik als Technischer Zeichner arbeiten.

Zwischen 1921 und 1924 besuchte er die Technische Hochschule Baden in Karlsruhe. Im Jahr 1932 entschied er sich, Deutschland wegen der „komplizierten politischen Lage“[1] zu verlassen und reiste noch im selben Jahr nach Brasilien. All dies gelang ihm nach eigenen Aussagen mit Hilfe eines Kontakts in der Kolping-Stiftung, die ihn auch in Brasilien in der relativ neu gegründeten Kolonie Porto Novo in der Nähe von Itapiranga in Empfang nahm.

In Brasilien verzauberten ihn die immensen Wälder und die Vielfalt an Tieren und vor allem Insekten. In den Wäldern dieses neuen Landes entdeckte er seine Leidenschaft für die Zirpen und bildete sich mit der Unterstützung eines Jesuitenpriesters namens Pio Bock zum Entomologen aus. Während seiner Zeit in Brasilien machte er viele Zeichnungen der Insekten-Fauna des Landes. Jahre später schrieb er in seinen Notizen:

„Ich habe zwanzig Jahre meines Lebens damit verbracht diese Insekten (Membracidae), die mich faszinierten, zu untersuchen [...] Ich habe mich sehr damit beschäftigt sie zu zeichnen und zu malen, sodass sie nicht nur wissenschaftlich exakt, sondern auch vom künstlerischen Sichtpunkt betrachtet, makellos sind, damit ich selbst von ihnen lernen konnte, und auch andere auf eine versteckte Schönheit aufmerksam zu machen die sonst niemand war nehmen würde.“

Leopoldo Richter[1]

Im Jahr 1935 zog er nach Kolumbien und trat 1939 als wissenschaftlicher Forscher der Universidad Nacional de Colombia bei. In den folgenden Jahren veröffentlichte er Werke über die Buckelzikaden Kolumbiens[2], in denen er mit hohem Detail zeichnete und als Hilfsmittel ein Mikroskop benutzte, um die Gestalten der Tiere besser zu erkennen und später auch zu zeichnen. Außerdem sammelte er Insekten in Kolumbien für wissenschaftliche Zwecke. Viele von ihm gesammelte Buckelzikaden sind im Centrum für Naturkunde des Zoologischen Instituts und Museums der Universität Hamburg ausgestellt. Mehrere Arten von Buckelzikaden wurden nach Leopoldo Richter benannt, sowie eine Gattung (die allerdings nicht mehr gültig ist).[3]

Während er die Gebiete des Amazonas und der Küste Kolumbiens bereiste, verliebte er sich in die Kultur der indigenen Bevölkerung, die auch seine Werke der folgenden Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1984 stark prägte. Nicht nur die Urvölker Kolumbiens hatten Einfluss auf sein Werk, er besuchte auch andere südamerikanische Staaten wie zum Beispiel Ecuador.

Ab Mitte der 1950er Jahre hatte er mehrere Ausstellungen, unter anderem in der Schweiz, Kolumbien und den Vereinigten Staaten.

Am 22. Februar 1984 starb Leopoldo Richter in Bogotá im Alter von 88 Jahren.