Vier bekannte Großauheimer
Wer schon einmal mit dem Heimat- und Geschichtsverein Großauheim eine Altstadtführung erlebt hat, kennt das Geburtshaus von Mathilde Hain in der Hintergasse 20. Sie wurde 1901 als Bauerntochter von Ernst und Mina Hain geboren. Eine Ausbildung konnte sie, wie damals üblich, nicht zu Hause machen sondern kam als junges Mädchen nach Eichfeld um hier ein bezahlbares Studium zu absolvieren. Die begabte Mathilde wurde zunächst Lehrerin an der Großauheimer Schwesternschule St. Josef und schloss danach ein Germanistikstudium in Frankfurt mit Promotion ab. Sie wagte sich an eine wissenschaftliche Karriere in Volkskunde und widmete sich auf diesem Gebiet dem ländlichen Kultur- und Trachtenwesen. An der Berliner Universität wurde ihr ein Forschungsauftrag, aufgrund ihrer Arbeit in Feldforschung im Zusammenhang zwischen Gemeinschaft und Tracht, erteilt. Kurz vor Kriegsende habilitierte sie und wurde 1953 an der Frankfurter Universität Professorin. Die erste Professorin Hessens! Ein kleines Bauernmädchen aus Großauheim hat es geschafft in dieses männliche Refugium einzubrechen. Sie leitete das Institut für Deutsche Volkskunde und forschte, lehrte und schrieb über Bräuche, Volkserzählungen, Volksfrömmigkeit und Sagen. Sie war eine Meisterin ihres Faches. 1956 gab sie zum 1150jährigen Jubiläum die erste Großauheimer Ortsgeschichte heraus. 1983 starb Mathilde Hain in Bad Soden im Taunus und wurde auf dem Waldfriedhof in Großauheim bestattet.
Ein über die Grenzen Großauheims hinaus bekannter Künstler, ist der Tierbildhauer August Gaul. Geboren 1869 als Sohn des Steinmetzes Philipp Gaul und dessen Ehefrau Katharina in der Haggasse 12a. Die meisten Großauheimer kennen August Gaul, denn seine Tierplastiken haben eine eigene Ausstellung im Großauheimer Museum, am Pfortenwingert. Seine Löwin bildet das Glanzstück dieser Ausstellung. Die Pinquingruppe ziert heute den Brunnen im Park vor dem neuerrichteten Pflegeheim an der Hauptstraße und ganz besonders waren seine Entchen, die sich auf dem Rochusplatz befanden, den Auheimern ans Herz gewachsen. Seine Kindheit und Jugend verlebte August Gaul in dem heute nicht mehr vorhandenen Vorgänger des Gasthauses Ratskeller Krotzenburger Straße 6. An der Hanauer Zeichenakademie wurde Gaul zum Ziseleur und Modelleur ausgebildet. 1888 ging er schon als Jugendlicher nach Berlin und dort zur kaiserlichen Zeit, traf seine Art der Tierbildhauerei, zwischen natürlicher Darstellung und Abstraktion, den damaligen Modegeschmack. Er wurde der Bildhauer des Kaisers; wenn ein dekorativer Löwe unter des Kaisers Ross lag, dann konnte man davon ausgehen, daß er von August Gaul war. Außerdem gestaltete er ausdrucksscharf und in die Zukunft weisend den menschlichen Körper, schuf Zeichnungen für Graphikmappen und Buchillustrationen. Gaul gilt als der erste moderne Bildhauer in Deutschland und einziger deutscher Tierplastiker von Rang. Weggefährte waren in Berlin u.a. Heinrich Zille und Max Liebermann. Im Jahre 1921 starb August Gaul und wurde in Berlin-Dahlem beigesetzt. Seit 1969 ist die höchste kulturelle Auszeichnung die Ehrenplakette der Stadt Großauheim nach ihm benannt; sie wurde 1974 von der Stadt Hanau übernommen.
Kehren wir wieder in die Hintergasse zurück. Gegenüber dem Geburtshaus von Mathilde Hain befindet sich das Geburtshaus von August Peukert in der Hintergasse 23. 1912, noch in der Kaiserzeit, wurde August Peukert als Sohn des Wagnermeisters Emil Peukert und seiner Frau Elise geboren. Nach seinem Studium an der Zeichenakademie und der Zeichenlehrertätigkeit an der Mädchenrealschule St. Josef in Großauheim, wirkte August Peukert als freier Graphiker und Maler. Sein Atelier befand sich anfangs noch in seinem Geburtshaus, bis er 1962 seinen Wirkungskreis in die Goethestraße 20 verlegte. Besonders wurden seine Graphiken, Kohlezeichnungen und Gemälde von Landschaften, Stillleben, Porträts, Arbeitsszenen und christliche Motive geschätzt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich sein Stil von realistisch über lyrisch impressionistisch zu expressionistischer Art und zeigt auch abstrahierende Züge. Im 2. Weltkrieg war er in Norwegen stationiert. Danach begann er sich sehr stark der Glasmalerei und der Gestaltung von Farbglasfenster zu widmen. Viele Kirchen, Schulen und Krankenhäuser in und um Großauheim, Hanau bis nach Fulda hat er ausgestattet. Farbenfrohe Mosaiken und Sgraffis an und in Großauheimer Häusern und Gebäuden wurden von ihm geschaffen. Im Museum am Pfortenwingert, sind seine Werke in einer eigenen Ausstellung zu sehen. Im Jahre 1986 starb August Peukert und wurde auf dem Waldfriedhof begraben.
Ein bedeutender Großauheimer, zwar nicht von Großauheim stammend, war Dr. Karl Kihn. 1854 wurde er als Sohn eines Mühlenbesitzers in Michelbach geboren. Nach seinem Studium in Würzburg kam er 1880 als erster studierter Arzt nach Großauheim. Vor ihm gab es im Ort keinen Arzt; die Kranken damals mussten zu einem „Armenarzt“ nach Hanau oder Steinheim gehen. Der junge Karl Kihn heiratete die Tochter des Bürgermeisters Kronenberger, Hermine. Dieser schenkte dem jungen Paar das schöne Haus in der Taubengasse 6. Auf dessen Giebel man heute noch eingeschnitzt das „K und K“ sehen kann. Dank der Bismark‘schen Sozialreform konnte der junge Arzt von seinem Beruf leben. Er war am Ort sehr beliebt. Seine eigentliche Berühmtheit erhielt er als Spessartvater und –forscher. Er ließ Wanderwege anlegen, um der dramatischen Armut der Bevölkerung in Mömbris, Laufen und anderen Spessartdörfer beizukommen. Diese ermöglichten den armen Wanderarbeiter halbwegs sicher zur aufkeimenden Industrie nach Großauheim und Hanau zu kommen. Außerdem waren er und sein Vater maßgeblich an dem Bau der „Bembel“ der Spessartbahn beteiligt. Unermüdlich schrieb er eine Menge Wanderführer u.a. „Führer durchs Freigericht und seine Umgebung“ und förderte damit auch den Tourismus. 1876 regte er die Gründung des Freigerichter Bundes an; eines Vorläufer des heutigen Spessartbundes. 1807 zog Karl Kihn nach Aschaffenburg und stand einem weiteren Vorgänger, dem Verein der Spessartfreunde Aschaffenburg, von 1900 – 1924 vor. Ein unermüdlicher Mann in Sachen „Wanderfreunde“. Nach seinem Tod 1934 wurde er auf dem Großauheimer Alten Friedhof bestattet. Auf seinem Grabmal ist ein Relief des „Barmherzigen Samariters“ zu sehen. Um dieses Relief vor dem Verfall zu retten, haben die Wanderfreunde Großauheim, mit Unterstützung des Heimat- und Geschichtsvereins Großauheim angeregt, dies zu restaurieren; was auch bereits vorgenommen wird.